Neue Westfälische (Bielefeld): Inflation und Konjunktur Glimpflich oder gruselig MARTIN KRAUSE

Wenn die Inflationsrate sich der
Drei-Prozent-Marke nähert, dann sträuben sich bei kühl rechnenden
Arbeitnehmern die Nackenhaare. Die Teuerungsrate erreicht dann eine
Größenordnung, in der sie Gehaltssteigerungen für die Mehrheit der
Beschäftigten vollständig auffrisst. Obendrein nagt die
Steuerprogression am Mehrverdienst. Mancher mag sich zerknirscht
trösten: Wie gewonnen, so zerronnen. Doch das ist noch geprahlt, denn
in Wirklichkeit sind Reallohneinbußen absehbar. Der
volkswirtschaftliche Effekt liegt auf der Hand: Von der oft
beschworenen Stärkung des Binnenkonsums kann keine Rede mehr sein. Im
aktuellen Fall allerdings schrillen die Alarmglocken nicht gar so
laut. Denn die Experten erwarten inzwischen eine kräftige Eintrübung
der Konjunktur. Auch wenn das böse Wort von der Rezession aus
verständlichen Gründen noch unter dem Deckel gehalten wird – wer will
schon schuld sein an einer sich selbst verwirklichenden Prophezeiung?
– so wird doch mit einer Abkühlung gerechnet, die stark genug ist, um
den Preisauftrieb zu dämpfen. Die glimpfliche Variante ist aber nur
eine Möglichkeit, und die Alternativen klingen gruselig. Weil die
Inflation vor allem durch Preissteigerungen für Energie und Rohstoffe
geprägt ist, und weil die Nachfrage nach diesen Gütern zunehmend
durch Schwellenländer mit eigener Dynamik mitbestimmt wird, ist ein
Nachlassen des Preisauftriebs durch die Abkühlung nicht gewiss. Im
Gegenteil, wenn obendrein der Euro einen weiteren Schwächeanfall
erlebt, könnten neue Preisschocks die Folge sein. Europa könnte ein
Dilemma mit steigenden Preisen einerseits und Investitions- und
Konsumzurückhaltung andererseits drohen. Was könnte die
Euro-Zentralbank dann noch gegen die Abwärtsspirale tun? Was
Ottonormalverbraucher zu tun hätten, wäre aber klar: Zahlen für die
Krise.

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