Ziviler Unverstand
von Joerg Helge Wagner
Wieder so ein Rekord, den die Menschheit nicht braucht. Fast eine
Woche hat der jüngste Castor-Transport von französischen La Hague ins
niedersächsische Gorleben wegen der massiven, teils militanten
Proteste gebraucht. Aber natürlich ist er angekommen – wie alle zwölf
vor ihm auch. Und natürlich werden zu den 113 Castoren aus Frankreich
auch noch die 21 aus dem schottischen Sellafield dazu kommen – selbst
wenn es pro Transport noch länger dauern sollte. Nicht, weil eine
menschenverachtende Atom-Diktatur das so will, sondern weil das
demokratische Deutschland sich an Verträge halten muss. In den
Castoren lagert nämlich nicht französischer oder britischer, sondern
eigener Atommüll. Da hilft es auch nichts, dass die braven Wendländer
„den Schiet nich hebben wullt“. Der „Schiet“ ist nun mal da – der
Atomausstieg verhindert nur, dass neuer hinzu kommt. Die
Maximalforderung der Castor-Blockierer, Gorleben von der
ergebnisoffenen Suche nach einem Endlager auszunehmen, offenbart bloß
Regional-Egoismus. Ein Endlager für hochradioaktiven Müll ist nämlich
auch in der Oberpfalz, in Sachsen oder im Schwarzwald unpopulär.
Ginge es allein um Gerechtigkeit, müsste jedes Bundesland, das
Atomstrom bezieht, auch ein Endlager vorhalten. Es geht aber allein
um maximale Sicherheit, und das wiederum völlig zu Recht. Umso mehr
verwundert es, wenn Grünen-Chefin Roth nun die Mär vom „zivilen
Ungehorsam“ wiederkäut, den der Staat gefälligst zu dulden habe.
Dabei verursacht die überlebte „X-Tausendmal-Quer“-Folklore der
Allgemeinheit nur gewaltige Kosten – Millionen, die man besser in
eine rasche Erkundung verschiedener Standorte stecken sollte.
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