Solarausstiegsgesetz: Letzte Ausfahrt Bundesrat

Pressemitteilung

Deutsche Umwelthilfe fordert Länderkammer auf, am kommenden
Freitag wegen des Gesetzes zur Beschränkung der Photovoltaik in
Deutschland den Vermittlungsausschuss einzuberufen – EEG-Umlage wird
für private Haushalte und Gewerbe teurer, weil die Regierung es
zulässt, dass sich immer mehr Industriebetriebe aus der Umlage
verabschieden – Solararbeitslose sind die Arbeitslosen der Minister
Rösler und Röttgen

Die Photovoltaikindustrie in Deutschland durchlebt ihren größten
Boom und ihre erste existenzielle Krise. Und zwar beides
gleichzeitig. Die Krise ist mindestens in Teilen hausgemacht von den
Ministern Philipp Rösler (FDP) und Norbert Röttgen (CDU). Darauf hat
die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) hingewiesen und gleichzeitig den
Bundesrat aufgerufen zu dem im Bundestag bereits verabschiedeten
Gesetz zur Einschränkung der Solarförderung und Deckelung des
Photovoltaik-Ausbaus den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel
einzuberufen, das Gesetz grundlegend zu überarbeiten. Der Bundesrat
entscheidet am kommenden Freitag (11. Mai) über das Gesetz.

Insbesondere fordert die Umwelt- und
Verbraucherschutzorganisation, die in dem Gesetz vorgesehene
drastische Absenkung des Zubaus der Photovoltaik auf nur noch 900 bis
1.900 Megawatt pro Jahr bis 2017 aufzuheben. Außerdem müsse sich die
Höhe der Vergütungskürzungen eng an die Kostenentwicklung der
Solarmodule anlehnen und dürfe diese nicht – wie insbesondere in
diesem Jahr vorgesehen – deutlich übertreffen. Die
Anlagenvergütungsklassen und ihre Vergütungssätze müssten
überarbeitet und die Fördergrenze von 10 MW ersatzlos gestrichen
werden. Auch das so genannte Marktintegrationsmodell werde seinen
Zweck verfehlen und müsse aufgegeben werden.

„Was Rösler und Röttgen durch den Bundestag gepaukt haben, könnte
sich schnell zum nächsten Ausstiegsgesetz entwickeln – aber diesmal
geht es nicht um gefährliche Atomkraft, sondern um eine
Zukunftstechnologie“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.
Resch erklärte, die Krise der Photovoltaikindustrie trage auch
Elemente einer Konsolidierungskrise, die schnell wachsende Branchen
regelmäßig erlitten, insbesondere, wenn starker Druck über
internationale Preiskämpfe bei gleichzeitig großen Überkapazitäten
aufgebaut würde. „Das alles ist hier auch der Fall, aber zu einer
umfassenden Existenzkrise wurde das Ganze erst durch den Versuch der
schwarz-gelben Koalition, auf Basis falscher Behauptungen diese
Zukunftstechnologie regelrecht außer Landes zu treiben“. Die Frage
sei nicht, ob die Solarindustrie eine Zukunft habe, sondern ob
Deutschland dabei bleibe.

Resch nannte es „vollkommen undenkbar, dass eine Bundesregierung
im Fall unter Druck geratener eingesessener Industrien wie der
Stahl-, Aluminium- oder Kupferindustrie einfach die Hand in den Schoß
legen würde oder gar die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im
Handstreich zerstört.“ Genau das tue die schwarz-gelbe Koalition aber
im Fall der Photovoltaik. Ohne die hektische, zusätzliche
Verschlechterung der Förderbedingungen und die Deckelung auf einen
Bruchteil des gegenwärtigen Zubaus sähe Resch durchaus Chancen, dass
sich die Branche wenigstens zu Teilen zurückmelden würde. Der
DUH-Geschäftsführer erinnerte daran, dass das Traditionsunternehmen
Wacker Chemie soeben erst im sächsischen Nünchritz eine neue
Fertigung für Polysilizium mit 500 neuen Mitarbeitern in Betrieb
genommen habe. Auch in anderen Gliedern der Wertschöpfungskette gebe
es mittelfristig gute Chancen für die deutsche Photovoltaikindustrie,
gegen die Konkurrenz aus Fernost zu bestehen. Der US-amerikanische
Hersteller von Dünnschicht-Solarmodulen First Solar sei durch die
Begrenzung der Förderung auf Anlagen unter 10 Megawatt regelrecht
außer Landes getrieben worden. Resch: „Die Arbeitslosen in
Frankfurt/Oder sind die Arbeitslosen von Rösler und Röttgen“.

Die Leiterin Klimaschutz und Energiewende der DUH, Cornelia Ziehm,
beklagte, dass die Bundesregierung es zulasse, dass sich immer mehr
industrielle Stromverbraucher über die so genannte Besondere
Ausgleichsregelung aus der EEG-Umlage verabschieden. Dadurch steige
massiv die EEG-Umlage für Endverbraucher, nicht privilegierte
Industrie, Handel und Gewerbe, was anschließend wiederum von der
Regierung und manchen Verbraucherschützern der Photovoltaik
angelastet werde. „Die Energiewende kann nur gelingen, wenn sich alle
beteiligen und nicht die einen für die anderen mitzahlen.“ Skandalös
seien auch die Regelungen zur so genannten Eigenerzeugung in
Kraftwerken der Industrie, die ebenfalls von der EEG-Umlage befreit
seien. Eine Übergangsklausel im EEG 2012 habe sogar dazu geführt,
dass alte, schmutzige Kohlekraftwerke mit schlechtem Wirkungsgrad
wieder in Betrieb genommen worden seien. So verkaufte die RWE AG
Block 3 ihres Altkraftwerks Ensdorf an ihre Tochter VSE AG. Die VSE
AG verpachtete das Kraftwerk dann an die Saarstahl und Saarschmiede,
die wiederum die VSE mit der Betriebsführung beauftragte – und fertig
war die Eigenerzeugung. Sie erspart den Konstrukteuren dieses Modells
jährlich 25 Millionen Euro EEG-Umlage, die nun die normalen
Stromkunden bezahlen müssen. Anfragen der DUH zu diesem Fall bei der
Bundesnetzagentur bleiben seit Monaten ohne Antwort. Ziehm:
„Besondere Ausgleichsregelung und Eigenstromerzeugung ergeben in
diesem Jahr einen Umverteilungseffekt von über vier Milliarden Euro.
Er wird nach den neuen Regelungen weiter wachsen, aber nicht einmal
die Bundesregierung weiß, in welche Höhe. Sie fährt dabei im
Blindflug.“ Für den Fortgang der Energiewende sei die unnötige
Erhöhung der EEG-Umlage hochgefährlich, weil es ein Ziel der
Energiewendegegner sei, die Transformation des Energiesystems als
unbezahlbar darzustellen.

Kanzlerin Angela Merkel hatte bereits 2011 erklärt, die Umlage
dürfe nicht über 3,5 Cent pro Kilowattstunde (Ct/kWh) steigen. In
diesem Jahr liegt sie bei 3,592 Ct/kWh. Ohne die Besondere
Ausgleichsregelung, also bei Verteilung der Umlage auf alle
Endabnehmer von Strom in Deutschland, die ihren Strom nicht selbst
erzeugen, läge der Wert hingegen nach ersten Prognosen bei nur mehr
2,39 Ct/kWh. An die Betreiber von Photovoltaikanlagen wurden 2011
etwa 47,5 Prozent der Umlage ausgezahlt.

Den DUH-Hintergrund zum Thema finden Sie unter:
http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news]=2844

Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil: 0171 3649170, E-Mail:
resch@duh.de

Dr. Cornelia Ziehm, Leiterin Klimaschutz und Energiewende, Hackescher
Markt 4, 10178 Berlin; Tel.: 030 2400867-0, Mobil: 016094182496;
E-Mail: ziehm@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik & Presse, Deutsche Umwelthilfe
e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-21, Mobil:
0171 5660577, E-Mail: rosenkranz@duh.de