Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Landtagswahlen

Fast jeder zweite Wahlberechtigte ist noch
unentschlossen, wem er seine Stimme geben soll, und der Vorsprung von
Rot-Grün wird knapper. Nimmt man beides zusammen, hat
Nordrhein-Westfalen allen Grund, mit Spannung auf die Landtagswahl in
Schleswig-Holstein zu schauen. Egal, wie die Wahl an der Förde
ausgeht, ist schon jetzt klar, dass alles oder nichts aus dem
Ergebnis abgeleitet werden wird – je nachdem, wie die einzelnen
Parteien abschneiden. Natürlich sind Prozentzahlen und Trends nicht
einfach von dem einen auf das andere Bundesland übertragbar. Doch
gibt es mehr als nur einen zeitlichen Zusammenhang: Immerhin finden
beide Landtagswahlen in der gleichen politischen Großwetterlage
statt. Zudem ist der Abstand von einer Woche so kurz, dass selbst
politisch weniger interessierte Nordrhein-Westfalen sich der
Ergebnisse von Schleswig-Holstein noch werden erinnern können, wenn
sie ihre Kreuzchen machen. Nordrhein-Westfalen stimmt in besonderer
Stimmung ab. Parteien und Kandidaten zwischen Rhein und Weser hoffen
auf Rückenwind von der Küste, doch ab Sonntagabend wird einigen von
ihnen der Wind eher kräftig ins Gesicht wehen. Euphorie oder
Ernüchterung – diese Gefühlslagen werden die letzte Wahlkampfwoche in
NRW prägen. Drei Fragen sind es, die in Düsseldorf mit Blick auf Kiel
besonders interessieren: Reicht es für ein rot-grünes
Regierungsbündnis? Schafft die FDP den Wiedereinzug in den Landtag?
Auf welchen Stimmenanteil trägt der Höhenflug die Piratenpartei? Zur
letzten Frage zuerst: Je besser die Piraten in Schleswig-Holstein
abschneiden, umso besser sind ihre Aussichten, auch in NRW ein gutes
Ergebnis zu erzielen. Nichts ist schließlich erfolgreicher als der
Erfolg. Erst recht für eine Partei, von der – samt ihrer selbst –
immer noch niemand so recht weiß, was sie will. Die Prognose: Der
Hype hält an, die Piraten ziehen in den Kieler Landtag und steuern
schnurstracks in Richtung Düsseldorf weiter. Comeback statt Knockout
lautet die Weissagung für die FDP. Die Liberalen um den schillernden
Spitzenkandidaten Wolfgang Kubicki schaffen überraschend klar den
Wiedereinzug in den Landtag und bereiten so Christian Lindner, dem
neuen FDP-Hoffnungsträger in Nordrhein-Westfalen und wohl auch
darüber hinaus, den Boden. Piraten erstmals drin, FDP wieder drin –
bliebe die Frage nach Rot-Grün. Lange Zeit als die unumstößliche neue
Regierungskonstellation gehandelt, wird es für dieses Zweierbündnis
in Schleswig-Holstein nicht reichen. SPD-Spitzenmann Torsten Albig
muss froh sein, wenn er mit Hilfe des SSW eine Dänen-Ampel zustande
bringt. Gut möglich aber auch, dass es am Ende doch auf eine Große
Koalition hinausläuft. Kommt–s so, hat auch Nordrhein-Westfalen ein
neues Thema – mindestens eine Woche lang.

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