Schwäbische Zeitung: Die Kirche im Dorf lassen – Kommentar

Kritiker des öffentlichen Belustigungsverbots an
hohen Feiertagen sagen gern, dass sonst nur noch der Iran solch
strenge Regeln habe. Das spricht weder gegen Muslime noch gegen
Christen, die nicht in Feierlaune sind, wenn sie um ihren Heiland
oder um Verstorbene trauern. Im Gegenteil: Eine Gesellschaft soll und
darf zeigen, was ihr heilig ist. Anders müsste sie ihr Gesicht
verlieren.

Niemand ist an den hohen, stillen Feiertagen gezwungen, die
Gefühle der Gläubigen zu teilen. Es genügt, diese Gefühle zu
respektieren. Aber das gelingt nicht zum Takt der Disko-Musik und
auch nicht im öffentlich zelebrierten Rausch. Eher gilt, dass eine
zunehmend unter Sinnleere leidende Gesellschaft ein paar Tage der
Besinnung gut gebrauchen könnte. Wer das anders sieht, der möge
überlegen, ob er sich wünscht, dass seine Lieben an Allerheiligen
oder am Totensonntag nicht den Friedhof, sondern lieber eine Bar
besuchen. Nicht den Zusammenhalt der Familie suchen über den Tod
hinaus, sondern das Vergnügen, das oft nicht über den Tag hinaus
anhält.

Der Staat hat da sicher keine Vorschriften fürs Private in den
eigenen vier Wänden zu erlassen. Aber es ist seine Pflicht und
Schuldigkeit, Gefühle zu schützen, die zu seinen Grundlagen gehören.
Nicht nur im Iran, sondern auch im christlichen Abendland.

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