Allg. Zeitung Mainz: Weichenstellung / Kommentar zu Grünen

Das ist die dritte Weichenstellung in der
Erfolgsgeschichte der Grünen. Die erste war die Wandlung von der
Öko-Bewegung zur Partei. Die zweite war die Wandlung von der
geborenen Oppositionspartei zur Partei, die die
Regierungsverantwortung sucht. Beide Wandlungen sind untrennbar mit
dem Namen Joschka Fischer verbunden. Die dritte Weichenstellung liegt
nun darin, dass sich die Grünen zu dem bekennen, was sie längst sind:
eine Partei der bürgerlichen Mitte. Katrin Göring-Eckhard ist nicht
der Motor, sondern der personifizierte Ausdruck dieser Veränderung:
eine Wertkonservative mit kirchlicher Bindung. Und Jürgen Trittin ist
mitnichten ihr Gegenpol. Im Gegensatz zu der von den Mitgliedern
abgestraften Claudia Roth, die bis heute die 80er-Jahre-Folklore der
Anti-Kohl-Grünen pflegt, hat der ehemalige Öko-Linke aus dem
K-Gruppen-Milieu seinen Bürgerschreck-Anzug längst zu den Altkleidern
gelegt. Dass ausgerechnet die Basis diese Wende erzwingt, ist für die
Grünen ein Glücksfall. Sie häuten sich ein weiteres Mal und bleiben
dabei doch ihrem Prinzip der Rückkopplung zu ihren Mitgliedern treu.
Bei dieser Häutung waren die Mitglieder ihrer Parteiführung einmal
voraus. Keine Partei hat in ihrer Anhängerschaft einen so hohen
Anteil an Berufstätigen wie die Grünen. Bei ihr versammeln sich
Leistungsträger der Gesellschaft, die bei allem Erfolg die Sinnsuche
nicht aufgegeben haben. Diese Grünen wildern nicht im bürgerlichen
Milieu – die neuen bürgerlichen Schichten sind schlicht bei den
Grünen verortet. Das ist eine Gefahr für die Union, die sich mit
diesen neuen Milieus der Mitte schwer tut. Und es ist zugleich ihre
Chance: Schwarz-Grün ist entgegen allen Beteuerungen der grünen
Führung kein Schreckgespenst mehr, sondern schlicht eine Frage der
politischen Arithmetik.

Pressekontakt:
Allgemeine Zeitung Mainz
Florian Giezewski
Regionalmanager
Telefon: 06131/485817
desk-zentral@vrm.de