Traue keiner Statistik, die du nicht selbst
gefälscht hast, sagte einst Churchill. Der Satz hilft auch in der
Debatte um die Armut in Deutschland. Hier müsste er heißen: Traue
keiner Theorie, deren Begriffe du nicht selbst verdreht hast. Es gibt
Armut in Deutschland, aber es gibt keinen Hunger, keine unabwendbare
Obdachlosigkeit, eben das, was man unter Armut versteht. Das letzte
Netz – HartzIV, Kindergeld, Wohngeld, Sozialhilfe – hält. Es
ist immerhin so stark, dass es manche aus wirklich armen Ländern
reizt, dafür waghalsige Fluchten nach Deutschland zu unternehmen.
Armut wird gemessen am Verhältnis zu den Einkommen der anderen, sie
ist also relativ. In einem reichen Land wie Deutschland sind
statistisch viele arm, real aber wenige. Wenn die Wohlfahrtsverbände,
Sozialdemokraten, Linke und auch die CDU-Sozialministerin trotzdem
immer wieder den Begriff Armut bemühen, um auf reale Probleme
hinzuweisen, dann bewirken sie womöglich das Gegenteil. Denn dieser
Begriff passt nicht zur Lebenserfahrung der meisten Menschen, nicht
zu den vollen Einkaufspassagen in diesen Adventstagen. Was es in
Deutschland gibt, sind schreiende Ungerechtigkeiten, etwa bei den
Löhnen zwischen Männern und Frauen, bei den prekären
Arbeitsverhältnissen oder bei der wachsenden Kluft zwischen Vermögen
und Erwerbseinkommen. Was es gibt, ist die ebenso schreiende
Verwehrung von Bildungs-, Teilhabe- und Erwerbschancen – für
Migranten, für ältere Arbeitnehmer, für Behinderte. Es gibt in
Deutschland kaum echte Armut. Aber viele schleichende
Fehlentwicklungen, die die Gesellschaft langsam aus der Balance
werfen können – und dann tatsächlich Armut erzeugen. Darum geht es.
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