Mittelbayerische Zeitung: Mittelbayerische Zeitung (Regensburg) zum neuen Bezirkstag in der Oberpfalz

von Reinhold Willfurth, MZ

Es ist nicht so, dass die bayerische FDP jenseits diverser
Stadratsgremien von der politischen Bildfläche verschwunden wäre. Im
neuen Bezirkstag von Mittelfranken ist zum Beispiel wieder ein
Freidemokrat vertreten. Auch sonst zeigten sich Wahlvolk und
Wahlsystem den kleinen Parteien gegenüber generös. Im Nürnberger
Bezirksparlament sind künftig auch Plätze für die Linke, die
Piratenpartei, die ÖDP und die Frankenpartei reserviert. Die
siegesverwöhnte CSU muss sich ihre Mehrheiten suchen. Im Prinzip gilt
dies auch für den Oberpfälzer Bezirkstag. Die CSU hat zwar die acht
Direktmandate erobert, ihr stehen aber mit drei SPD-Räten, zweien von
den Freien Wählern, einem von den Grünen und neuerdings je einem von
ÖDP und Bayernpartei ebenso viele Kontrahenten gegenüber. Im Prinzip.
In der Wirklichkeit aber fällen die Oberpfälzer Bezirksräte ihre
Beschlüsse in der Regel einstimmig. Der Umgangston ist kollegial,
persönliche Diffamierungen bleiben aus, und beim Kaffeetrinken in der
Sitzungspause spielen Glaubensfragen keine Rolle. Trotzdem stemmen
die Räte ein jährliches Budget von mehreren hundert Millionen Euro.
Diese pragmatische Arbeitsweise spricht allein schon für dieses
Gremium, dessen Aufgabenspektrum vielen Menschen nicht geläufig ist
und das oft mit Verwaltungsorganen wie der Regierung der Oberpfalz
verwechselt wird. Man malt sich aus, wie das Land vorankommen könnte,
würde im Landtag oder gar im Bundestag so effizient und unideologisch
gearbeitet wie in einem bayerischen Bezirkstag. Dass viele Minis
unter den kleinen Parteien ihren Einzug in die Bezirksparlamente
feiern, hat natürlich erst einmal damit zu tun, dass es hier keine
Fünf-Prozent-Klausel gibt. Aber es scheint so, dass auch der mündige
Wähler den Kleinen eine Chance gibt, zumindest im überschaubaren
Bereich eines Regierungsbezirks – zum Beispiel als Regulativ
gegenüber den Großen (in Bayern gilt: der einen Großen), oder als
Ausdruck einer persönlichen Sympathie jenseits allen Kalküls. Die
Bezirkstage haben gegenüber den selbstbewussten Kommunen und den viel
Aufmerksamkeit beanspruchenden Landtagen keinen leichten Stand. Ist
von der dritten kommunalen Ebene die Rede, dann nicht selten in
Zusammenhang mit Situationen, mit dem die Menschen nichts zu tun
haben wollen: Bezirkskrankenhaus, Sozialhilfe, Forensik,
Drogenklinik. . . So verständlich das sein mag: Irgendjemand muss die
Aufgabe übernehmen, sich um Menschen mit psychischen und geistigen
Handicaps zu kümmern, oder um Menschen, die das Schicksal nicht eben
auf die Sonnenseite des Lebens getrieben hat. Der Bezirk stemmt diese
Aufgabe zum Wohle aller, und dies flächendeckend. Wer etwa in der
Oberpfalz ein Kind hat, das dringend psychiatrische Hilfe braucht,
muss dem Bezirk dankbar dafür sein, nicht jede Woche nach Regensburg
zur Behandlung fahren zu müssen, sondern diese Hilfe vor Ort zu
bekommen. Das medizinische Angebot wird kontinuierlich verbessert. In
den nächsten fünf Jahren steckt der Bezirk 100 Millionen Euro in
dessen Ausbau. Der Bezirk hat auch wichtige kulturelle Aufgaben zu
erledigen. Der Bezirksheimatpfleger passt auf, dass sich das
Kulturerbe der Oberpfalz nicht in der Moderne verliert, eine
Fachschule in Sulzbach-Rosenberg bildet Musiker auf hohem Niveau aus,
und mit Kulturpreisen würdigt der Bezirk die Leistung von Oberpfälzer
Künstlern. Wer also wieder einmal rituell die Abschaffung der Bezirke
fordert, der sollte sich mit der Frage beschäftigen, wer dann künftig
deren Aufgaben stemmen soll. Wir sind schon sehr gespannt auf eine
Antwort.

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