Badische Neueste Nachrichten: Zeit zum Umdenken

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat es
treffend auf den Punkt gebracht: Es ist eine Schande, dass die EU
Italien mit dem Flüchtlingsstrom aus Afrika so lange allein gelassen
hat. Die in Sonntagsreden beschworene Solidarität zwischen den
Mitgliedsländern ist in der realen Flüchtlingspolitik der EU
schlichtweg nicht vorhanden. Die Dublin-II-Regeln sind
reformbedürftig. Danach muss das Land, in dem Flüchtlinge erstmals
EU-Boden betreten, sie aufnehmen und den Asylantrag prüfen. Mehr
noch: Sie können in dieses Erst-Ankunftsland zurückgeschickt werden,
falls sie sich in einen anderen EU-Staat durchschlagen. Die Länder an
den südlichen Außengrenzen wie Italien, Spanien, Griechenland oder
Malta werden dadurch überbelastet. Katastrophale Lebensbedingungen
für die Flüchtlinge sind die Folge. Ein System, das die Last des
Ansturms fairer unter den EU-Ländern verteilt und die Mitgliedsländer
je nach ihrer Aufnahmefähigkeit zur Verantwortung verpflichtet, ist
überfällig. Mit Symbolaktionen – wie der Aufnahme von 5 000
Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien – wird das große, reiche
Deutschland auf Dauer nicht davonkommen. Das ist eine Frage der
Menschlichkeit. Klar ist: die EU kann sich nicht als Festung der
Reichen gegen die Elenden vor seinen Küsten abschotten. Die Union
kann aber auch nicht alle Menschen aufnehmen, die in der Hoffnung auf
ein besseres Leben gerne nach Europa kämen. Auf Dauer hilft nur, die
Ursache der Massenflucht an der Wurzel zu bekämpfen und die
Lebensbedingungen in der Herkunftsländern der Flüchtlinge so zu
verbessern, dass sie dort eine Perspektive haben. Das ist ein
mühsamer, aber alternativloser Weg. In der Vergangenheit hat sich die
EU hier selbst in die Tasche gelogen. Denn sie bezahlte etwa den
mittlerweile toten libyschen Despoten Gaddafi dafür, dass er den
Europäern Flüchtlingsboote vom Hals hielt. Wie genau, wollten die
Verantwortlichen in Europa gar nicht wissen. Durch blühende
Landschaften in der Libyschen Wüste geschah es jedenfalls nicht.

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