Wozu sind eigentlich Gesetze gut, die Politiker
nicht gelten lassen wollen, wenn es ernst wird? Und was sind das
eigentlich für Politiker, die sich nicht an das halten wollen, was
sie selbst beschlossen haben? Fragen, die sich angesichts des heftig
entbrannten Streits über die Senkung des Beitragssatzes für die
Rentenversicherung aufdrängen. Dank guter Wirtschaftskonjunktur und
folglich verbesserter Arbeitsmarktlage ist die nationale Alterskasse
prall gefüllt. Ihre „eiserne Reserve“ wird sich bis Ende des Jahres
auf etwa 30 Milliarden Euro summieren. Weit mehr, als die gesetzlich
vorgeschriebene Mindestrücklage von 1,5 Monatsausgaben erzwingt. Für
diesen Fall verlangt die Gesetzeslage, den Rentenbeitragssatz zu
senken. Daran hat sich die Bundesregierung gestern gehalten. Sie hat
eine Kürzung von derzeit 19,6 Prozent auf 19 Prozent auf den Weg
gebracht. Dafür gibt–s Beifall, aber auch Pfiffe. Die SPD, noch
unterstützt von Teilen der CDU, will dem Gesetz nicht folgen und es
über den Bundesrat umgehen. Mit dem treuherzigen Versprechen, das
Geld für wieder schlechtere Zeiten (demografischer Wandel) lieber auf
die hohe Kante zu legen, als es den Beitragszahlern zurückzugeben.
Frei nach Goethe hör ich die Botschaft wohl, allein mir fehlt der
Glaube. Milliarden-Überschüsse in der Rentenkasse über Jahre bunkern?
So viel Bescheidenheit und Vorsorgedenken widerspricht aller
Erfahrung mit Politik. Früher oder später wird die Versuchung zu
groß, aus der übervollen Rentenkasse die nächsten Wahlgeschenke zu
bezahlen. Nachhaltigkeit in der Rentenpolitik ist ein ehrenwerter
Vorsatz. Doch leider einer mit größtem Vergesslichkeitsfaktor.
Deshalb tut die Bundesregierung gut daran, sich an das Gesetz zu
halten und den Beitragszahlern (hälftig Arbeitnehmer und Arbeitgeber)
zurückzugeben, was ihnen zusteht. Es wäre zudem endlich einmal ein
Signal aus der bürgerlichen Koalition, dass der Staat keine „Raupe
Nimmersatt“ ist. Mag die Beitragssenkung in der Summe auch eher
bescheiden sein, kündet sie doch davon, dass dem Bürger endlich
wieder ein Stück mehr Freiheit im Umgang mit seinem Einkommen
zugestanden wird. Mancher wird den „Bonus“ sogar für die eigene
Altersvorsorge einsetzen, wozu der Staat angesichts des
demografischen Wandels doch auch so dringlich rät. Er belastet viele
Durchschnittsverdiener seit Langem bei der Lohnsteuer über Gebühr.
Jetzt darf nicht auch noch die Rentenkasse zu einem von den Bürgern
gespeisten Füllhorn werden. Warum die SPD im Verbund mit den
Gewerkschaften so entschieden gegen die Beitragssenkung kämpft, hat
auch mit den Wahlen im kommenden Jahr zu tun. Sie gönnen der
Koalition eben nichts. Und dass Saarlands CDU-Sozialminister Andreas
Storm als Speerspitze der Unionskritiker die Vorlage aus dem Hause
von der Leyen so heftig attackiert, könnte auch sehr persönliche
Gründe haben. Er ist mit der Ministerin in herzlicher Gegnerschaft
verbunden, seit sie ihn als ihren Staatssekretär kaltgestellt hat.
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