Es sind keine guten Tage für die Union. Nicht für
ihre Politik, erst recht nicht für die Kanzlerin und ihren
Verteidigungsminister. Sie haben eine Wagenburg errichten müssen, um
ihren populärsten Mann zu verteidigen. Karl Theodor zu Guttenberg hat
sich mit zwei großen Fehlern in eine – an bisherigen Maßstäben
gemessen – unhaltbare Lage gebracht. Der eine Fehler, das zumindest
teilweise Erschleichen eines Doktortitels, liegt schon ein paar Jahre
zurück. Mit etwas gutem Willen kann man daraus eine Jugendsünde
konstruieren. Geschuldet vielleicht allzu großem Ehrgeiz und der
männlichen Neigung, sich selbst noch ein bisschen wichtiger machen zu
wollen, als man ohnehin schon ist. Guttenberg ist da kein Einzelfall.
Wobei man fast ratlos bei der Frage bleibt, wie ein intelligenter
Mann auf den Gedanken kommen kann, ausgerechnet die Einleitung der
eigenen Doktorarbeit abzuschreiben. Die Uni machte gestern Abend das
einzig Richtige: Sie erkannte Guttenberg den Doktortitel ab. Viel
entscheidender aber für die missliche Situation ist der taktische
Umgang des Verteidigungsministers zu Guttenberg mit der Wahrheit. Der
Freiherr, keine Frage, hat die Menschen, seine Mitarbeiter, seine
Wähler, auch seine Universität tagelang getäuscht. Er hat versucht,
seine Jugendsünde zunächst klein zu reden. Seine Einsicht in die
Notwendigkeiten war immer genau so groß, wie es der öffentliche Druck
erforderte. Ein Eiertanz von zuweilen erstaunlicher Hybris, dessen
negativen Gesamteindruck auch der kämpferische Auftritt des Ministers
gestern vor dem Bundestag nicht verwischen konnte. Unterm Strich hat
zu Guttenberg in diesen aufgeregten Tagen seine eigenen Maßstäbe, die
bis heute auf seiner persönlichen Homepage nachzulesen sind, deutlich
unterlaufen. „Prinzipienfestigkeit und Grundsatztreue“ werden da
genannt, „Verantwortung“, die „Verpflichtung, Vertrauen, Gewissen“
bedeute. Vertrauen? Gewissen? Wie mögen das zum Beispiel die
Mitarbeiter seines Ministerium sehen in den kommenden Wochen und
Monaten – von den Menschen an den zu schließenden Standorten oder
auch den Hochschulen der Bundeswehr mal ganz zu schweigen. Guttenberg
wird ihnen allen unbequem werden müssen bei der Umsetzung seiner
umfangreichen Reformpläne. Wird er seinen Leuten dabei in die Augen
gucken können? Ist er sich sicher, dass der von ihm entlassene
Generalinspekteur Schneiderhan ihn damals „wissentlich“ getäuscht hat
bei der Berichterstattung über die Kunduz-Affäre? Und wie wird das
sein mit dem „Gorch Fock“-Kommandanten Norbert Schatz? Welchen
Maßstab legt zu Guttenberg in diesen Fällen an? „Politik braucht
klare Werte.“ Auch dieser Satz findet sich auf der Homepage des
Ministers. Es sind bürgerliche Werte, für die zu Guttenberg ja
tatsächlich steht wie kein zweiter. Werte, die jetzt, die
Bundestagsdebatte gestern hat das gezeigt, gekapert werden von der
Opposition – auch von der Linken, ausgerechnet. Ehrlichkeit, Anstand.
Feste Grundsätze, die sich eben nicht biegen lassen im Hin und Her
der politischen Konjunkturen. Auf sie zu verzichten, rührt am
Markenkern der Union. Ihr Verlust wird auf Dauer nicht zu ersetzen
sein. Auch nicht durch noch so gute Umfragewerte.
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