Was immer bei einem parlamentarischen Hearing von
Experten vorgebracht wird – für den Entscheidungsprozess von
Abgeordneten und Klubs ist es unverbindlich. Doch es bietet einen
Überblick der Ansichten von Fachleuten zum jeweiligen Thema. Insofern
war das Hearing zum Sicherheitspolizeigesetz Anfang Dezember durchaus
relevant. Aber leider nicht für SPÖ und ÖVP, obwohl die
Expertenmeinungen zum höchst sensiblen Thema polizeilicher
Überwachung wohl schon von einiger Wichtigkeit sind.
Vielmehr haben die roten und schwarzen Mandatare die mehrheitlich
kritischen Erklärungen zu den von Polizei und Verfassungsschutz
angestrebten neuen Kompetenzen offenbar nur verfolgt, um gezielt
wegzuhören.
Nicht, dass dies bei einem Hearing zu einem umstrittenen Thema zum
allerersten Mal geschehen wäre – man erinnere sich an einschlägige
Asylgesetz- und Fremdenrechtsanhörungen, aber gerade in der
Wiederholung zeigt sich hier eine Schwäche des heimischen
Parlamentarismus.
Die Sicherheitspolizeigesetznovelle – nach Änderungen im Strafrecht
vergangenes Jahr gilt sie als Teil zwei aktueller
Terrorpräventionsvorhaben – soll ermöglichen, selbst Einzelpersonen
zu observieren, wenn aus Indizien darauf geschlossen werden kann,
dass vielleicht Gefahr von ihnen ausgeht. Im Hearing legten
eingeladene Anwälte mit viel praktischer Erfahrung dar, dass dadurch
selbst Stammtisch Krakeeler Gefahr laufen könnten, Fälle für den
Verfassungsschutz zu werden. Reaktion der Gesetzesformulierer darauf:
keine.
Stattdessen wurden jetzt, eine Woche vor der Behandlung des
Sicherheitpolizeigesetzes im Innenausschuss und einen Monat vor der
geplanten Abstimmung im Parlamentsplenum, minimale, nicht einmal
kosmetische Änderungen des Entwurfs präsentiert. Sie setzen beim
Rechtsschutz an, doch für die künftig Ausgespähten werden sie niemals
sichtbar werden – denn Verständigungspflicht für Observierte ist auch
im Nachhinein keine vorgesehen.
Um Derartiges müssen sich Betroffene mittels Auskunftsbegehrens
selber kümmern. Und dann droht, wie im Fall der nach einer
Flyer-Wurfaktion im Parlament in der Extremistendatenbank
gespeicherten Ex-ÖH-Vorsitzenden Sigrid Maurer, vielleicht ein böses
Erwachen.
Hier wird auf einer Holschuld beharrt, die eines demokratischen
Gemeinwesens unwürdig ist. Auf einem Konzept des Bürgers als
potenziell gefährliches Subjekt und als Untertan, das von einem
autoritären Staats- und Sicherheitsverständnis zeugt. Dieses hat sich
seit 9/11 im Form von Antiterrorbestimmungen in Gesetze und
gesellschaftliche Diskurse zunehmend eingeschlichen. Wohl auch, weil
man sich aus Angst – und sei es vor Wählerschwund – offenbar lieber
auf die Polizeilogik verlässt als auf Einwände gegen sie.
Im Fall der vorliegenden Novelle beruft man sich im Innenministerium,
um die Notwendigkeit der Einzelüberwachung herauszustreichen, auf den
norwegischen Attentäter Anders Breivik. Wäre er aufgrund seiner
Internetgewohnheiten und Dünger-Großbestellungen überwacht worden,
hätte Schlimmeres verhindert werden können, heißt es. Aber die
gleiche Überwachung – vom Abhören hin zum Verfolgen – hätte auch
einen völlig harmlosen Chemiestudenten und Landwirt treffen können.
Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70 DW 445
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