Kurz nach Mitternacht in der Wiener Herrengasse: Aus
dem Tor der Standard-Redaktion stolpert erschöpft das
Schlussdienst-Team: der Layouter, der Bildbearbeiter, die
Redakteurin. Sie prallen auf ein Rudel lustiger junger Passanten.
Einer ruft: „Oh, da kommen die Herren Standard-Redakteure!“ Dass eine
Frau Redakteurin dabei ist, hat das Bewusstsein des jungen Mannes gar
nicht erreicht. Grund zur Wehleidigkeit besteht deswegen nicht –
verwunderlich ist es aber auch nicht. Schließlich gehen Österreichs
Medien selbst mit den Themen Frauen, Gleichstellung oder
Gendergerechtigkeit wenig sensibel um. Im vorwöchigen Falter etwa
wischten es der stellvertretende Chefredakteur Florian Klenk und der
Grünen-Abgeordnete Peter Pilz einträchtig vom Tisch. Gemeinsam wurde
darüber gerätselt, warum die Öko-Partei bei Wahlen nicht recht vom
Fleck kommt. Vielleicht, mutmaßte der Falter-Mann, hätten sich die
Grünen zu sehr „um das Binnen-I gekümmert“. Was Pilz entrüstet
zurückwies: Man habe aus der „Themennische Feminismus“ längst
herausgefunden. Gratuliere – da haben zwei verstanden, was uns
ökonomisch vorwärtsbringt. Noch offener zeigte der Kurier dieser Tage
sein Frauenbild. Eine anmutige Fotomontage unter der Schlagzeile
„Game over für Grasser?“ zeigte denselben im Millionenshow-Setting
bei der Entscheidungsfrage. Die letzte der vier Möglichkeiten, aus
denen die Zeitung den ehemaligen Finanzminister wählen lassen wollte,
lautete doch tatsächlich: „Lebenslänglich mit Fiona.“ Tiefer
gehtx{2588}s kaum noch. Machismo, Sexismus, Vom-Tisch-Wischen
weiblicher Anliegen sind Teil einer Alltags(un)kultur, die (auch) von
Medien geprägt wird. Es mangelt nicht nur an Frauen in
Chefpositionen, es mangelt am Bewusstsein, dass gerade in Zeiten
ökonomischer Krisen ohne Frauen kein Staat zu machen ist – und dass
das auch eine Männer- und eine Familienfrage ist. Typisch ist, dass
eine neue Studie von Ernst & Young kaum mediale und keine politische
Resonanz fand. Sie belegt, dass Unternehmen in Europa, die Frauen im
Vorstand haben, in den letzten Jahren deutlich bessere Ergebnisse
einfuhren als Firmen mit rein männlichen Führungsetagen.
Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, der angeblich auch für
Familienthemen zuständig ist, hat sie wohl nicht gelesen. Er kann
sich Frauenquoten für Aufsichtsräte nicht einmal vorstellen, und die
Idee von drei verpflichtenden Papamonaten hält er für „utopisch“.
Österreich hockt nicht alleine hinter dem Mond. In Deutschland
diskutieren Medien seit Wochen erregt darüber, ob Bettina Wulff am
offensichtlichen Charakterdefizit ihres Mannes Schuld trägt und ob
die neue „First Lady“ ihren Freund Joachim Gauck nun heiraten muss.
Wenigstens wird dort von politischer Seite lebhaft die Quotenfrage
diskutiert, und Journalistinnen haben eine Initiative gestartet,
damit endlich mindestens 30 Prozent der Chefpositionen in deutschen
Medien mit Frauen besetzt werden. Für Österreich wird es wohl wieder
einmal Brüssel richten müssen. EU-Gleichstellungskommissarin Viviane
Reding hat das „Schneckentempo“ bei der Verweiblichung der Chefetagen
scharf gerügt und mit der Einführung der Quotenpflicht auf EU-Ebene
gedroht. Dann können auch die Mitterlehners der Republik nicht mehr
aus – aber man kann es am Stammtisch wenigstens auf die böse EU
schieben.
Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70 DW 445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom