Was muss Heinz-Christian Strache sagen, damit die ÖVP
zu dem Schluss kommt: Mit einer Partei, in der Menschen mit einer
rechtsextremen Gesinnung aktiv sind, kann man keine Koalition bilden.
VP-Chef Michael Spindelegger zeigt sich zwar empört über Straches
Aussagen zur Judenverfolgung und fordert eine Entschuldigung. Ein
Koalitionskandidat ist die FPÖ aber weiter für ihn. Denn: Was nach
den nächsten Wahlen sei, „weiß keiner von uns“, so Spindel-eggers
Begründung.
Nur niemanden vergrätzen und sich einen potenziellen
Koalitionspartner warmhalten: An diese Parteilinie halten sich brav
die von der ÖVP nominierten Minister Beatrix Karl und Karlheinz
Töchterle und lehnen nur eine Koalition mit Strache als Kanzler oder
Vizekanzler ab. Auch der ehemalige Nationalratspräsident Andreas Khol
schlägt in eine ähnliche Kerbe. Er bezeichnet zwar Strache als
„unfähig“ für das Amt des Vizekanzlers oder Kanzlers, aber
Schwarz-Blau schließt er definitiv nicht aus. Für einige Medien,
allen voran die Presse, ist Strache kanzlerreif, wie es jüngst in
einem Leitartikel gefordert wurde: „Lasst Strache und sein Team
arbeiten!“
Wenn nicht Strache, wer dann? Eine Susanne Riess-Passer ist in der
FPÖ von heute nicht in Sicht. Man braucht sich nur das
Führungspersonal dieser Partei und deren Aussagen anschauen.
Problematische Einschätzungen zum_Nationalsozialismus sind keine
Einzelmeinungen.
Martin Graf, der Dritte Nationalratspräsident, ist Mitglied einer als
rechtsextrem eingestuften Burschenschaft. Er lotet die Grenzen im
parlamentarischen Bereich aus, in dem er etwa den extrem rechten
Professor Walter Marinovic ins Hohe Haus einlädt. Mitarbeiter von ihm
haben bei einem Versandhandel rechtsextremes Propagandamaterial
bestellt. Den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde hat Graf
als „Ziehvater des antifaschistischen Linksterrorismus“ bezeichnet.
Bereits zweimal war der ranghohe Staats_repräsentant gezwungen, eine
Erklärung über seine Einschätzung zum Nationalsozialismus abzugeben.
Mit Barbara Rosenkranz kandidierte eine FPÖ-Politikerin für das Amt
des Bundespräsidenten, die es in einer eidesstattlichen Erklärung
nicht schaffte, die Existenz von Gaskammern in der NS-Zeit zu
bestätigen. Sie hatte sich bisher davor gedrückt, dieses historisch
unbestrittene Faktum mit einem klaren Ja zu beantworten.
Anderswo müssten Politiker wie Strache nach seinem Judenvergleich
zurücktreten. Nicht so in Österreich. Hier gab es auf politischer
Ebene auch keine breite Debatte darüber, ob just am 67. Jahrestag der
Befreiung des KZ Auschwitz ein solcher Ball gefeiert werden kann.
Just an dem Tag, an dem international – etwa im deutschen Bundestag –
des Holocausts gedacht wurde, trafen sich die Rechtspopulisten
Europas in der Wiener Hofburg.
Es gibt hier keine Schamgrenzen – und keine Konsequenzen. Jörg
Haider wurde im Juni 1991, exakt eine Woche, nachdem er den Ausspruch
von der „ordentlichen Beschäftigungspolitik im Dritten Reich“
getätigt hatte, mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP als Kärntner
Landeshauptmann abgewählt. Dass es jetzt nicht einmal eine breite
Debatte über einen Rücktritt Straches gibt, zeigt, wie sehr man sich
an solche Aussagen gewöhnt hat.
Für eine Partei, deren Vertreter sich nicht klar von rechtem
Gedankengut distanzieren, ist kein Platz in einer Regierung.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom