Es war eine gute Woche, und es war eine schlechte
Woche für die Demokratie in Österreich. Die – nicht rechtskräftigen
_- Urteile in Kärnten und ihre Begründung haben gezeigt: Der
Rechtsstaat funktioniert. Gleiches gilt für Anklagen gegen
ehemalige Spitzenmanager der Telekom wegen Kursmanipulationen und
damit möglicher Untreue. Auch der dem Standard vorliegende
Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft, wonach der ehemalige
FPÖ-Bundesgeschäftsführer Gernot Rumpold angeklagt werden soll und
der Vermutungen über indirekte Parteienfinanzierung durch die Telekom
nahelegt, macht deutlich: Die Justiz arbeitet – endlich. Aus Fehlern
in der Vergangenheit, als Fristen versäumt, Akten vergessen oder, wie
im Kärntner Fall, das Verfahren aus angeblich mangelnden
Beweisgründen zuerst eingestellt wurde, wurde gelernt. Die Justiz hat
damit ihre Unabhängigkeit gezeigt. Es gilt nicht mehr länger: Die
Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. Auch den Ex-Ministern
Karl-Heinz Grasser und Ernst Strasser drohen Anklagen in diesem
Herbst. Die österreichische Art des „Ein bisserl was geht immer“ ist
vor dem Kadi gelandet. Aber dass am Ende dieser Woche just
Volksvertreter entschieden, die Arbeit im Untersuchungsausschuss mit
16. Oktober zu beenden, beschädigt den Parlamentarismus. Abgeordnete
von SPÖ und ÖVP verhindern, dass Bundeskanzler Werner Faymann vor dem
Ausschuss erscheinen muss und noch mehr _Skandale aus der
schwarz-blauen Regierungszeit an die Öffentlichkeit dringen. Dabei
heißt es in Artikel 56 der Bundesverfassung: „Die Mitglieder des
Nationalrates sind bei der Ausübung dieses Berufes an keinen Auftrag
gebunden.“ Aber an ihre Partei. Kein einziger der anwesenden ÖVP-
oder SPÖ-Politiker scherte bei der Abstimmung aus. Solange sich
Abgeordnete vorschreiben lassen und dies auch tun, gemäß der
Parteidiktion zu stimmen, ist das „freie Mandat“ eine Farce.
Angesichts der vielen offenen Fragen als Begründung anzugeben, man
sei an einem Punkt angelangt, wo man aktenmäßig ohnehin alles wisse,
grenzt an Veräppelung – der politischen Konkurrenten, aber auch der
Wählerinnen und Wähler. Man kann von entwickelter Demokratie nur
sprechen, wenn die Gewaltenteilung in der Realität funktioniert. In
Österreich sind wir in eine Richtung unterwegs, die der Philosoph
Jürgen Habermas als „Fassadendemokratie“ beschrieben hat: das
Parlament als reines Abnickplenum. Der Grund ist nicht nur der
starke Einfluss der Parteien in Österreich, der sich etwa in der für
ausländische Beobachter unverständlichen Zuordnung in rote oder
schwarze Autofahrerklubs oder Sportvereine äußert. Der Schriftsteller
Robert Menasse bezieht das mangelnde Rechtsstaatsbewusstsein darauf,
dass „uns die Demokratie geschenkt“ wurde – nach dem Zweiten
Weltkrieg. Der Terminus der „kriminellen Demokratie“ des
französischen Philosophen Jacques Rancière lässt sich auf das
Kärntner System und den Telekom-Sumpf anwenden: ein Netzwerk aus
Politik und Wirtschaft mit wechselseitigen Begünstigungen. In seinem
Buch verweist Rancière darauf, dass daraus ein „Hass auf die
Demokratie“ entstehe. Den könnten sich in Österreich Populisten wie
Frank Stronach zunutze machen. Die Politik hat jetzt gegenüber der
Justiz Aufholbedarf.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
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