Deutsche Umwelthilfe obsiegt erneut vor Gericht gegen die Bundesregierung – Kraftfahrt-Bundesamt muss Akteneinsicht in VW-Dieselgate-Akte gewähren

Verwaltungsgericht Schleswig kritisiert ungeprüfte
Übernahme von Behauptungen der Volkswagen AG durch das
Kraftfahrt-Bundesamt – Berufung wurde nicht zugelassen –
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch forderte Kanzlerin Angela
Merkel dazu auf, die Fernsteuerung ihrer Bundesregierung durch die
Dieselkonzerne nicht länger zu akzeptieren

Das Verwaltungsgericht Schleswig hat heute der Deutschen
Umwelthilfe (DUH) in ihrer Klage auf Akteneinsicht in vollem Umfang
Recht gegeben (Az: 6 A 48/16). Streitgegenstand waren alle beim
Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) vorhandenen Unterlagen, die im Ergebnis
zum Rückruf der VW-Modelle am 15.10.2015 geführt haben. Die Klage
richtete sich gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch
das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA).

Mit dem Urteil erhält der Umwelt- und Verbraucherschutzverband auf
Grundlage des Umweltinformationsgesetzes Einsicht in den gesamten
Schriftverkehr, der im Herbst 2015 zur Anordnung des Rückrufs von
Betrugs-Diesel-Pkw führte.

„Das heutige Urteil ist ein Sieg für den Rechtsstaat über eine
Bundesregierung, die auch 30 Monate nach Aufdeckung des größten
Industrieskandals der deutschen Nachkriegsgeschichte eine
konspirative Zusammenarbeit mit betrügerischen Autobauern
weiterführt. Ich fordere Kanzlerin Angela Merkel dazu auf, die
Fernsteuerung ihrer Bundesregierung durch die Dieselkonzerne nicht
länger zu akzeptieren“, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der
DUH.

Das KBA ist verpflichtet, Einsicht in alle Aktenbestandteile, die
zur Rückrufanordnung gegen VW am 15.10.2015 geführt haben, zu
gewähren. VW und KBA können sich nicht auf Betriebsgeheimnisse oder
die aktuell noch laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen
berufen. Das Gericht kritisierte, dass das KBA die Schwärzungen der
kompletten Unterlagen unter anderem wegen Geschäfts- und
Betriebsgeheimnissen „völlig ungeprüft“ von VW übernommen habe. Nach
Auffassung des Gerichts überwiege aber das öffentliche Interesse,
selbst wenn Geschäftsgeheimnisse vorliegen sollten.

Bereits vor mehr als zwei Jahren hatte das Verwaltungsgericht
Schleswig die Herausgabe der VW-Akte verfügt. Daraufhin übersandte
die Behörde der DUH eine nahezu komplett geschwärzte Akte mit 581
Seiten, die es mehrfach sogar in die Satiresendung „heute show“ als
Beleg der versprochenen Transparenzoffensive von Bundesregierung und
Volkswagen schaffte. Diese Akte ist nun nach dem Urteil komplett
ungeschwärzt der DUH auszuhändigen.

Das KBA hatte die Herausgabe der ungeschwärzten Seiten mit Verweis
auf laufende strafrechtliche Ermittlungen sowie Betriebs- und
Geschäftsgeheimnisse von VW über mehr als zwei Jahre abgelehnt. Der
Vorsitzende Richter sagte heute in der mündlichen Verhandlung, man
könne sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass jeder Satz in
der Akte ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis beinhalte.

Eine Berufung wurde nicht zugelassen. Alle Unterlagen zwischen dem
Bekanntwerden des Dieselskandals am 18.9.2015 und dem Erlass der
Rückrufanordnung am 15.10.2015 sind davon betroffen, sofern sie das
KBA führt. Die DUH erhofft sich durch die Offenlegung Aufklärung
darüber, wie es zu der VW begünstigenden Beschränkung eines
millionenfachen Betrugs von VW-Kunden auf bloße Software-Updates kam.

Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in dem Rechtsstreit
vertritt, sagt: „Nun kommt endlich Licht in den Dieselskandal. Ein
Rechtsstaat lebt von Transparenz und Öffentlichkeit, nicht von
Kumpanei zwischen Aufsichtsbehörde und Unternehmen. Dies hat das
Verwaltungsgericht heute eindrucksvoll bestätigt.“

Hintergrund:

Nach dem Bekanntwerden des VW-Abgasskandals im September 2015
ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) am 15.10.2015 einen amtlichen
Rückruf der betroffenen VW-Fahrzeuge an. Details über die
Rückrufaktion, wie die Veränderungen der Leistungs-,
Spritverbrauchs-, CO2- sowie sonstiger Emissionswerte die mit der
Nachrüstung verbunden sind, sind nicht bekannt. Da auf Anfrage der
DUH keine Informationen zum Rückruf herausgegeben wurden, hat die DUH
am 22.1.2016 auf Grundlage des Umweltinformationsgesetzes gegen das
KBA eine Untätigkeitsklage wegen Anspruchs auf Informationserteilung
gestellt. Sie fordert die Beklagte auf, Einsicht in die
Rückrufanordnung sowie den gesamten dazu vorliegenden Schriftverkehr
zu gewähren. Nachdem dem Antrag der DUH teilweise stattgegeben wurde,
erhielt die DUH 2016 vom Kraftfahrt-Bundesamt eine nahezu komplett
geschwärzte Akte mit 581 Seiten. Die Rückrufanordnung als solche ist
der DUH mittlerweile bekannt.

Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de

Prof. Dr. Remo Klinger, Rechtsanwalt, Geulen & Klinger Rechtsanwälte,
Berlin
0171 2435458, klinger@geulen.com

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