Nach mehr als einem Jahrzehnt politischer Hängepartie steht die Reform der EU-Fluggastrechte in diesem Jahr vor einer entscheidenden Wegmarke. Nachdem der Rat die Prozedur zur Revision der Fluggastrechteverodnung im Eiltempo innerhalb des ersten Halbjahres vorangetrieben hat, beginnen am 15. Oktober 2025 in Brüssel die ersten direkten Trilogverhandlungen zwischen Europäischem Parlament, Rat und Kommission: ein Showdown um den künftigen Verbraucherschutz im europäischen Luftverkehr.
Im Zentrum des Streits steht die Frage, ob Reisende künftig besser oder schlechter gestellt werden. Während der EU-Rat auf weitreichende Entlastungen für Fluggesellschaften setzt, will das Europäische Parlament die Rechte der Passagiere ausbauen und modernisieren. Flightright appelliert dringend an die Abgeordneten, in den anstehenden Trilogverhandlungen klare Kante zu zeigen und die Rechte der Reisenden entschlossen zu verteidigen. Rat und Parlament vertreten derzeit grundlegend unterschiedliche Vorstellungen vom künftigen Verbraucherschutz in Europa: während sich das Parlament primär auf die Seite der Verbraucher:innen stellt, scheinen dem Rat eher die wirtschaftlichen Interessen Airline-Lobby am Herzen zu liegen.
Der Rat: Mehr Spielraum für Airlines, weniger Rechte für Reisende
Der vom Rat im Juni verabschiedete Vorschlag sieht eine spürbare Anhebung der Entschädigungsschwellen vor:
– Kurz- und Mittelstrecken: Entschädigung erst ab vier Stunden Verspätung
– Langstrecken: Entschädigung erst ab sechs Stunden
Auch die Höhe der Ausgleichszahlungen soll reduziert werden – von aktuell 250 EUR auf 300 Euro für Kurz- und Mittelstrecken (aktuell 400 EUR) sowie 500 Euro für Langstrecken (derzeit 600EUR).
Einen automatischen Inflationsausgleich lehnt der Rat ab; vorgesehen ist lediglich eine Überprüfung durch die Kommission, ohne verbindlichen Anpassungsmechanismus.
Besonders kritisch werten Verbraucherschützer die geplante Ausweitung der „außergewöhnlichen Umstände“. Die vom Rat vorgeschlagene, schwer verständliche Liste würde es Airlines erlauben, nahezu jedes Problem – von Crew-Krankheit bis zu technischen Defekten – als sicherheitsrelevant und damit entschädigungsfrei zu deklarieren.
Weitere Schwächungen im Ratsentwurf:
– Selbstbuchung bei Umbuchungen: erst nach 3 Stunden, Kosten auf das Vierfache des Ticketpreises begrenzt
– Handgepäck: keine verbindliche Regelung, nur Transparenzpflichten· Namenskorrekturen: nur gegen Gebühr möglich
– Übertragbarkeit der Buchung: nicht vorgesehen
– Rückflug bei „No-Show“: Airlines dürfen Gebühren verlangen
– Übernachtungskosten: auf drei Nächte begrenzt
– Insolvenzabsicherung: keine verpflichtenden Regelungen
– Sitzverteilung: Familien oder Menschen mit Behinderung nur „nach Verfügbarkeit“ zusammen
Das Parlament: Klare Regeln, automatische Anpassung, mehr Verantwortung für Airlines
Das Europäische Parlament verfolgt einen deutlich verbraucherfreundlicheren Ansatz. Es will an der aktuellen Entschädigungsgrenze von drei Stunden Verspätung festhalten – einheitlich für alle Strecken. Die Höhe der Zahlungen soll fair und transparent bleiben, und sich für die Kurzstrecke sogar erhöhen:
– Kurzstrecke: 300 Euro (bisher 250 EUR)
– Mittelstrecke: 400 Euro
– Langstrecke: 600 Euro
Darüber hinaus soll die Entschädigungssumme automatisch alle drei Jahre an die Inflation angepasst werden.
Auch bei den außergewöhnlichen Umständen setzt das Parlament auf Klarheit: Die Liste soll abschließend und leicht verständlich sein. Nur Ereignisse außerhalb der Einfluss- und Risikosphäre der Airline – etwa extreme Wetterlagen, politische Instabilität oder Sicherheitsrisiken – sollen Airlines von der Zahlungspflicht entbinden.
Weitere geplante Verbesserungen:
– Selbstbuchung von Alternativflügen: nach 3 Stunden möglich, keine starre Preisobergrenze
– Handgepäck: eine persönliche Tasche (bis 100 cm Gurtmaß, 7 kg) muss im Ticketpreis enthalten sein
– Namenskorrekturen: bis 48 Stunden vor Abflug kostenlos
– Übertragbarkeit: kostenfreie Ticketübertragung bei Krankheit oder Todesfall in der Familie
– Rückflug („No-Show“) ohne Zusatzkosten
– Insolvenzabsicherung: Airlines müssen Repatriierungspläne vorlegen und Ticketrückzahlungen garantieren
– Anwendbarkeit: gilt für alle Flüge von und nach Europa, unabhängig von der Airline
– Übernachtungskosten bei Stranden am Flughafen: bis zu fünf Nächte
– Sitzverteilung: Familien und Menschen mit Behinderung müssen zusammen sitzen
– Check-in am Flughafen: ohne Aufpreis
– Anspruchsdurchsetzung: Airlines müssen vorausgefüllte Standardformulare binnen 48 Stunden bereitstellen
Klarer Kurs gegen Abschwächung der Fluggastrechte: Flightright fordert das Parlament zum Schutz der Reisenden auf
Die Fronten sind verhärtet. Während der Rat den Airlines mehr Flexibilität gewähren möchte, drängt das Parlament nun auf verlässliche Mindeststandards für Reisende.
„Nach den Schlagzeilen rund um die (Veggie-)Wurst zeigt das Europäische Parlament nun, was echter Verbraucherschutz bedeutet: klare Regeln, verlässliche Entschädigungen und Transparenz gegenüber den Reisenden, damit in turbulenten Zeiten wenigstens der Urlaub entspannt bleibt.“, sagt Oskar de Felice, Chief Legal Officer des Verbraucherportals Flightright.
„Flightright begrüßt ausdrücklich die verbraucherfreundlichen Positionen des Europäischen Parlaments – insbesondere, dass die 3 Stunden-Verspätungsgrenze als rote Linie deklariert wurde. Jetzt kommt es darauf an, in den anstehenden Verhandlungen auch bei den anderen Punkten alles für die Passagiere zu geben. Nur so lässt sich sicherstellen, dass Europa auch künftig für einen starken, verlässlichen Verbraucherschutz im Luftverkehr steht.“ so de Felice.
Sollten sich Rat und Parlament bis Jahresende nicht auf einen Kompromiss einigen, wird ein Schlichtungsausschuss angerufen. Eine Verlängerung der Verhandlungen bis Ende Januar 2026 ist möglich. Nach über einem Jahrzehnt zäher Diskussionen steht die Reform der Fluggastrechte damit vor ihrer entscheidenden Phase, und Europa vor der Frage, ob es die Rechte der Reisenden stärkt oder sie den Interessen der Airlines überlässt.
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Lena Knoblauch
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