„Es gibt den Moment, in dem man seinen Platz
freimachen muss, um eine neue Dynamik zu ermöglichen.“ Solche Sätze
hört man in der Regel von Menschen kurz vor ihrer Rente, die nach
langer Zeit ein Amt oder eine Funktion an Jüngere abgeben wollen. Ein
solcher Satz passt aber nicht zu einem 32-Jährigen, und schon gar
nicht zum Polittalent Christian Lindner, der nicht nur Chef-Manager,
sondern auch lange Zeit der Hoffnungsträger der kränkelnden und
zerstrittenen FDP war. So einer wirft sein Amt nicht von jetzt auf
gleich in die Ecke. Da muss Entscheidendes passiert sein. Umso mehr
verwundert, dass der sonst rhetorisch so brillante Redner sich mit
einer kryptischen Verlautbarung davonstiehlt. Damit provoziert er
geradezu Spekulationen über die Gründe für seinen überraschenden
Rücktritt. Und da ist man ganz schnell bei seinem Parteichef Philipp
Rösler. Die Art und Weise, wie Lindner abtrat, nährt die Vermutung,
dass er seinen Parteichef vorführen und im Regen stehen lassen
wollte. Zumindest liegt die Vermutung nahe, dass Lindner für sich zur
Überzeugung gekommen ist, dass die ums Überleben kämpfende FDP mit
einem Parteichef Rösler nicht gerettet werden kann. In diesem Sinne
bekäme Lindners Formulierung, er wolle mit seinem Rücktritt „eine
neue Dynamik“ ermöglichen, eine ganz andere Richtung.
In seiner kurzen Rede hat Lindner gestern auch gesagt, er lege
sein Amt aus Respekt vor seiner Partei nieder. Wirklich Respekt für
seine Partei hätte er bewiesen, wenn er nicht einfach hingeschmissen
hätte. So bleibt von ihm das Bild eines frustrierten, resignierten,
jungen Politaufsteigers, der an seinen eigenen Ansprüchen – zumindest
vorerst – gescheitert ist.
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