Ein Kommentar von Egbert Nießler
Genauigkeit sollte vor Schnelligkeit gehen bei der großen
Griechenland- und Eurorettungsoperation der vergangenen Wochen.
Schnell musste es aber trotzdem gehen, denn die Untergangsszenarien
für Gemeinschaftswährung und klamme Hellenen nahmen immer
bedrohlichere Züge an. Und am Ende hat sich Berlin dann doch in
diesem Zielkonflikt etwas verheddert. Das Verfassungsgericht hat
vorerst das vom Bundestag eingesetzte neunköpfige Sondergremium
gestoppt, das in Eilfällen oder bei Geheimhaltungsbedarf allein über
deutsche Beiträge zum Stabilitätsmechanismus EFSF entscheiden sollte.
Die Rechte des Parlaments müssten in jedem Fall gewahrt werden. Das
ist richtig, und das vom Parlament repräsentierte Volk hat auch einen
Anspruch darauf, über alles Bescheid zu wissen, was in seinem Namen
entschieden und bezahlt wird. Die SPD-Abgeordneten Schulz und
Dankert, die mit ihrer Klage das Sondergremium aus den Angeln gehoben
haben, noch bevor es sich konstituieren konnte, können sich also als
Helden feiern lassen. Jedenfalls von den Bürgern, weniger von ihrer
Partei. Die hat dem entsprechenden Gesetz zugestimmt und selbst zwei
Abgeordnete in die Sondertruppe entsandt. Denn es gibt noch weitere
Zielkonflikte in der vertrackten Angelegenheit. Zum einen warten
Spekulanten nicht auf langwierige Parlamentsentscheidungen und
reagieren andererseits möglicherweise kontraproduktiv im Sinne der
Staaten und damit auch des Steuerbürgers, wenn etwa Aufkäufe von
Staatsanleihen vorzeitig publik werden. Geheimhaltung muss also nicht
per se schlecht sein, Schnelligkeit – wenn es um Rettungsaktionen
geht – sowieso nicht. Und ob der gesamte Bundestag weiser
entscheidet, bei dem Parteitaktik und Profilierungsbestreben
mitspielen, als ein kleines Gremium von Experten aus dem
Haushaltsausschuss, kann bezweifelt werden. Doch das alles entbindet
die Abgeordneten nicht von der Pflicht, sich an die selbst gegebenen
Regeln zu halten. Und auch in schwierigen Situationen muss so
gearbeitet werden, dass Schnelligkeit und Genauigkeit sich nicht
ausschließen.
Pressekontakt:
HAMBURGER ABENDBLATT
Ressortleiter Meinung
Dr. Christoph Rind
Telefon: +49 40 347 234 57
Fax: +49 40 347 261 10
christoph.rind@abendblatt.de meinung@abendblatt.de