HAMBURGER ABENDBLATT: Inlandspresse, Hamburger Abendblatt zu Deutschland-Anleihen

Ein Kommentar von Matthias Iken

Clever ist Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) zweifellos:
Sein jüngster Vorstoß, gemeinsame Anleihen von Bund und Ländern
aufzulegen, kommt zum perfekten Zeitpunkt. Angela Merkel ringt um die
Zustimmung zum Fiskalpakt und benötigt die Unterstützung der Länder.
Zudem hat sich Hamburgs Bürgermeister vorab der Unterstützung durch
Peter Harry Carstensen in Kiel vergewissert. Die CDU in
Schleswig-Holstein kämpft bei der Wahl um die Poleposition im Land
und benötigt jede Hilfe aus Berlin. Mögliche Deutschland-Anleihen
kämen beiden recht. Sie würden dank niedrigerer Zinsen den
Schuldendienst erleichtern – und das Schuldenmachen verbilligen.
Sparen ohne wehzutun, das klingt wie eine Münchhausen-Formel der
Konsolidierung. Genau hier liegt die Krux des Vorschlags. Natürlich
betont Scholz, es ginge ihm nicht um die Zinsersparnis, sondern um
die Zukunft der Kreditaufnahme. Dass der Haushalt um eine
zweistellige Millionensumme entlastet würde, sagt er nicht. Etwas
treuherziger ist da Schleswig-Holsteins Finanzminister Rainer Wiegard
(CDU). Er rechnet schon mit Ersparnissen von 15 bis 30 Millionen
Euro. Auch andere klamme Kämmerer haben schon mit
Deutschland-Anleihen kokettiert. Von Berlin bis Bremen, vom Saarland
bis Schleswig-Holstein hofft man auf Deutschland-Anleihen. Etwas
überraschend ist allerdings, warum viele der Politiker gemeinsame
europäische Anleihen, Euro-Bonds, wortreich ablehnen, während sie
zugleich in Deutschland die Schulden vergemeinschaften wollen. Genau
hier liegt die Gefahr gemeinsamer Anleihen: Der weniger finanzstarke
Partner profitiert, weil der zahlungskräftigere mitbürgt. So schön
das Solidarische in der Theorie ist, so unsozial wirkt es in der
Praxis. Die Höhe der Zinsen diszipliniert die Haushälter – ja, die
Märkte sprechen die einzige Sprache, die Politiker wirklich
verstehen. Gemeinsame Anleihen verführen zum Haushalts-Harakiri. Seit
Jahrzehnten klaffen gigantische Löcher zwischen Einnahmen und
Ausgaben bei Kommunen, Ländern, dem Bund, den europäischen Staaten.
Erst die Schuldenkrise öffnet nun die Augen. Und das nur langsam:
Obwohl im zurückliegenden Jahr die Wirtschaft in Deutschland
gewachsen ist, die Sozialkassen dank eines boomenden Arbeitsmarktes
geschont wurden, die Steuereinnahmen sprudelten und die Zinsen auf
Rekordtief notierten, lag die Neuverschuldung noch immer bei 17,3
Milliarden Euro. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mag das
für einen Erfolg halten – die Frage muss aber erlaubt sein, wann
eigentlich jemals ein Überschuss erwirtschaftet werden soll, wenn
nicht 2011? Ausbaufähig ist auch die Bilanz des SPD-Senats. Natürlich
muss der Bürgermeister die Zinssätze im Blick haben, den Fokus aber
sollte er auf die Ausgaben legen. Zwar betont Scholz immer wieder
sein weltläufiges Motto „Pay as you go“ – „Gib nur aus, was du hast“.
In den vergangenen Monaten aber ging einiges, Scholz hat viel
ausgegeben. Der Kauf weiterer Hapag-Lloyd-Anteile, der Einstieg in
die Energienetze, die Senkung der Kita-Gebühren, Wegfall der
Studiengebühren, Zugeständnisse an den öffentlichen Dienst gehen ins
Geld. Für alle Wohltaten gab es Gründe, doch die Haushaltslage haben
sie nicht verbessert. Sollen nun der Bund oder Bayern mit gemeinsamen
Anleihen Hamburg entlasten? Ist die Hansestadt das Griechenland
Deutschlands? Natürlich nicht. Allerdings begann die Schuldenkrise in
Südeuropa mit billigem Geld – gerade weil die Zinsen zu niedrig
lagen, liefen die Haushalte aus dem Ruder. Völlig zu Recht wollen
daher Bund und Hamburg bis 2020 die Schuldenbremse. Sie ist allemal
zielführender als das Hoffen auf niedrige Zinsen. Auch wenn sich
Deutschland nie günstiger refinanzieren konnte als heute, bleiben
Schulden ein süßes Gift. Denn irgendwann werden die Zinsen wieder
steigen.

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