Neue McKinsey-Analyse: Geringe
Produktivität, Fachkräftemangel, Bürokratie und mangelnde
Digitalisierung behindern notwendige Investitionen – Bis zu 40
Prozent Produktivitätssteigerung möglich
Die Regierungen in Bund und Ländern haben sich für Infrastruktur
und Wohnungsbau in Deutschland bis 2030 ambitionierte Ziele gesetzt:
etwa den Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr in Ballungsgebieten
für insgesamt rund 90 Mrd. Euro jährlich plus laut vorläufiger
Groko-Vereinbarung vom Sonntagabend weitere 2 Mrd. Euro in den
nächsten Jahren für den sozialen Wohnungsbau. Außerdem wurden schon
im letzten Herbst von 2019 an Investitionen von rund 11 Mrd. Euro
jährlich in Verkehrswege, Glasfaser- und Stromnetze beschlossen. Doch
eine aktuelle Analyse der Unternehmensberatung McKinsey & Company
zeigt: Die Investitionsziele sind in der vorgesehenen Zeit nicht ohne
grundlegende Änderungen zu erreichen. Die Studie, die am Montag
veröffentlicht wurde, nennt als Haupthindernisse unter anderem das im
internationalen Vergleich niedrige Leistungs- und
Produktivitätsniveau des deutschen Bausektors, den geringen
Digitalisierungsgrad sowie zu komplexe Vergabe- und
Genehmigungsverfahren in den Verwaltungen.
Das Problem wird durch den Fachkräftemangel noch verschärft: Schon
heute sind im Baugewerbe knapp 37.000 unbesetzte Stellen gemeldet,
bei einer Gesamtzahl von knapp 891.000 Beschäftigten. McKinsey
zufolge müsste die Zahl der Beschäftigten um ca. 15% auf mehr als
eine Mio. Personen klettern, um den erwarteten Anstieg des
Bauvolumens zu realisieren. Damit fehlen absehbar 130.000 Fachkräfte
im Baugewerbe. Nicht nur im Baugewerbe fehlen Fachkräfte, sondern
auch in den Kommunalverwaltungen. Bundesweit ist die Zahl der
Angestellten, die sich dort mit Baufragen beschäftigen, in den
vergangenen fünf Jahren um fast 10% gesunken.
Die Bauindustrie gelangt an ihre Kapazitätsgrenzen
Deutschland erlebt seit mehreren Jahren einen wahren Bauboom. Das
Bauvolumen ist seit 2010 von 237 Mrd. Euro um knapp 30% auf 305 Mrd.
Euro im Jahr 2016 gestiegen. Der Anteil der öffentlichen
Investitionen daran ist mit 36 Mrd. Euro (12%) jedoch gering und seit
Jahren nahezu stagnierend. „Die Bauindustrie hat darauf mit einer
Umschichtung ihrer Kapazitäten weg von der öffentlichen Nachfrage –
vor allem im Tiefbau – reagiert“, erläutert Sebastian Stern,
Seniorpartner bei McKinsey und Leiter Public Sector bei der
Unternehmensberatung. Die Konsequenz: Staatlichen Auftraggebern fällt
es inzwischen schwer, die jetzt wieder bereitgestellten
Haushaltsmittel zu verplanen und zu beauftragen. Sebastian Stern:
„Deutschlands Ausbauziele sind in Gefahr.“
Um der steigenden Nachfragen und dem Arbeitskräftemangel zumindest
teilweise zu begegnen, müsste die Produktivität der Bauwirtschaft in
Deutschland spürbar ansteigen. Das ist nach den McKinsey-Analysen
aber nicht erkennbar. Studien des McKinsey Global Institute (MGI)
belegen: In Deutschlands Baubranche erhöhte sich die operative
Produktivität zwischen 1995 und 2015 nur um durchschnittlich 0,3% pro
Jahr. Zum Vergleich: Die Produktivität der gesamten Volkswirtschaft
stieg im selben Zeitraum um 1,3% jährlich, die des verarbeitenden
Gewerbes sogar um 2,0% pro Jahr.
Auch beim Thema Digitalisierung hat die Branche Nachholbedarf. Das
MGI hat den Grad der Digitalisierung in 28 europäischen Ländern und
22 Branchen untersucht. Das Ergebnis: In Deutschland hat das
Baugewerbe einen ähnlich geringen Digitalisierungsgrad wie
Landwirtschaft, Fischerei oder Gastronomie. Berater Stern: „Digitale
Methoden und schlanke Prozesse, die in anderen Branchen die
Entwicklung der vergangenen zehn Jahre vorangetrieben haben, sind in
der deutschen Bauindustrie kaum angekommen – im Gegensatz zu vielen
anderen Ländern, wo zumindest der Einsatz moderner Planungssoftware
im Bau weit verbreitet ist.“
Produktivität kann um bis zu 40% erhöht werden
Die McKinsey-Analyse erläutert detailliert Maßnahmen und
Handlungsfelder, in denen sich die Effizienz der öffentlichen Hand
und die Produktivität der Baubranche verbessern lassen. In Summe
seien dadurch Effizienzsteigerungen in einer Größenordnung von bis zu
40% möglich: etwa durch die breitere Anwendung von seriellem Bauen,
bei dem schwerpunktmäßig mit vorgefertigten Bauelementen- und
-modulen gearbeitet wird, und Lean-Construction-Maßnahmen zur
optimalen Verteilung von Ressourcen und Equipment. Digitale
Technologien sollten außerdem standardmäßig Planung und Bau
unterstützen – beispielsweise bei der Bauüberwachung und
Fortschrittskontrolle. Genehmigungsverfahren in Deutschland könnten
zudem nach dem Vorbild des neuen „Vereinfachten
Baugenehmigungsverfahrens“, das die Prüfaufgaben der
Bauaufsichtsbehörde auf das Wesentliche reduziert, flächendeckend
deutlich verkürzt werden.
Die vollständige Analyse ist zum Download verfügbar unter:
www.mckinsey.de/Deutsche-Ausbauziele-in-Gefahr
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