Lausitzer Rundschau: Auf der Baustelle Das deutsche Bildungssystem ist nicht reformunfähig

Wer noch behauptet, dass deutsche Bildungssystem
sei reformunfähig und leide unter dem föderalen Gerangel eitler
Kultusminister, der verkennt die Realitäten. Seit dem Pisa-Schock
2001 hat sich immens viel getan: Die für Schulen wichtige Autonomie
ist in vielen Ländern größer geworden, das duale System wurde
gestärkt, gemeinsame Bildungsstandards eingeführt, Strukturen
verändert und die universitäre Ausbildung angehender Pädagogen
einigermaßen zeitgemäß reformiert. Der Reformdruck der vergangenen
zehn Jahre ist sogar so hoch gewesen, dass sich Eltern, Schüler,
Lehrer häufig genug vom Tempo der Veränderungen überfordert gefühlt
haben. Auch, weil oftmals unter Verkennung banaler, praktischer
Folgen politisch über das Ziel hinausgeschossen wurde. Beispiel
Turbo-Abi: Zum Glück wird es nun in vielen Bundesländern wieder
infrage gestellt. Die Statistiken der neuen Bildungsstudie der OECD
belegen die Fortschritte, die Deutschland zweifellos gemacht hat. Sie
zeigen aber auch, dass auf der Baustelle Bildungssystem die Arbeiten
noch lange nicht eingestellt werden können. Angekommen in der
Bildungsrepublik ist Deutschland noch nicht. Denn zu viele Probleme
dümpeln ungelöst vor sich hin: Die Lese-, Schreib- und
Rechenfähigkeiten vieler Schüler sind weiterhin teilweise gravierend
schlecht. Die Zahl der jährlichen Hoch- und Fachhochschulabsolventen
in Deutschland ist zwar deutlich gestiegen, jedoch wächst sie in
anderen Industrieländern noch schneller. Das größte Problem ist aber,
dass Bildung weiterhin eine Art Luxusgut ist – wer gut ausgebildete
und einkommensstarke Eltern hat, hat prima Chancen auf eine
erfolgreiche Karriere. Nach wie vor ist das System viel zu
undurchlässig und voller Warteschleifen für jene, die in den Beruf
starten wollen. Deutschland lässt seine Talente links liegen. Das
wird sich rächen, wenn nicht endlich gegengesteuert wird. Indem sich
die Bildungspolitiker zum Beispiel daran machen, Hemmschwellen
abzubauen und Aufsteigern und ihren Familien die Angst vor dem
Studium und dessen Kosten zu nehmen. Ansonsten wird der
Wirtschaftsstandort Deutschland mittelfristig massive
Wettbewerbsnachteile erleiden. Fachkräfte sind ja jetzt schon in
vielen Bereichen Mangelware. Vieles ist und bleibt dabei eine Frage
des Geldes. Die Republik tut sich keinen Gefallen damit, dass die
Bildungsausgaben trotz Krise zwar angestiegen sind, im
internationalen Vergleich aber weiter auf niedrigem Niveau liegen.
Staat und Gesellschaft müssen sich klar machen, dass sie von jedem
erfolgreichen Studenten und Auszubildenden profitieren – durch
Steuern, Sozialabgaben und durch gesellschaftliche Teilhabe. So weit
scheint das Land aber noch nicht zu sein.

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