Mein Gott, Günter Grass. Ergriffen von der eigenen
Bedeutung hat der Dichter zur Feder gegriffen und aufgeschrieben, was
seiner Ansicht nach endlich, endlich, endlich hat gesagt werden
müssen. Doch die reimlosen Verse, die er jetzt zeitgleich in mehreren
großen europäischen Zeitungen veröffentlichen ließ, sind vor allem
eines: banal, stellenweise naiv und erstaunlich unpolitisch. Dennoch
haben sie gereicht, um in Deutschland den üblichen und von Grass
wohlkalkulierten Reflex hervorzurufen. Die einen schäumen vor Abscheu
und Empörung, die anderen freuen sich mehr oder minder klammheimlich,
dass da einer angeblich das große Tabu gebrochen hat, das es in
Deutschland doch schon lange nicht mehr gibt. Wer deutsche Zeitungen
oder Magazine liest, wer deutsche Fernsehsender und Radiosender
verfolgt, der weiß – Israel wird hierzulande, unabhängig von den
Schrecken der Vergangenheit, seit Jahren nahezu ohne Unterbrechung
für seine Politik gegenüber Nachbarstaaten und Palästinensern
kritisiert. Manchmal sehr hart, mitunter auch ungerecht. Wenn Günter
Grass nun tatsächlich ernsthaft der Meinung ist, mit seiner jüngsten
Veröffentlichung einen wertvollen Beitrag zur Lösung von Konflikten
im Nahen und Mittleren Osten zu leisten, dann offenbart dies eine
Hybris, die selbst unter großen Künstlern ihresgleichen suchen
dürfte. Unter dem Strich aber hat da lediglich ein wichtigtuender
Alt-Literat ein paar Zeilen geschrieben, die die Welt nicht braucht.
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