Lausitzer Rundschau: Motivieren und mobilisieren Der Lagerwahlkampf ist eröffnet

Wenn Angela Merkel geglaubt hat, wie vor vier
Jahren wieder per Schlafwagen ins Kanzleramt zu kommen, dann ist sie
jetzt eines Besseren belehrt. Mit dem Urnengang in Niedersachsen
feiert der Lagerwahlkampf fröhliche Auferstehung. Sicher, Rot-Grün
hat in Hannover nur hauchdünn gewonnen. Ebenso gut hätte sich die
Waage zugunsten von Schwarz-Gelb neigen können. Insofern ist für den
Bund im Herbst alles offen. Aber so viel lässt sich jetzt schon
sagen: Weder FDP noch Grüne werden es nach ihrem bemerkenswert guten
Abschneiden an der Leine riskieren, mit anderen Bündnispartnern zu
liebäugeln. Die Liberalen, weil sie den Leihstimmen von der Union ihr
Überleben verdanken. Und die Grünen, weil sie ein lächerliches Bild
abgeben würden, wenn sie sich dieser schwarz-gelben
Schicksalsgemeinschaft andienten. Die traditionellen Lager haben sich
endgültig für den Bundestagswahlkampf sortiert. Für den Bürger ist
das nicht die schlechteste Nachricht. Politik lebt von Polarisierung.
Damit werden die Angebote der Parteien unterscheidbarer. Ein bisschen
erinnert die Situation an 1998. Auch damals begann der republikweite
Aufwind für Gerhard Schröder & Co mit einem rot-grünen Wahlerfolg in
Niedersachsen. Auch damals verfügte die SPD im Bundesrat über eine
komfortable Mehrheit, die sie dazu nutzte, alle möglichen Vorlagen
von Schwarz-Gelb zu blockieren. Das verstärkte beim Publikum den
Eindruck, die Regierung unter Helmut Kohl sei gestaltungsunfähig und
habe mithin abgewirtschaftet. Dieses Drehbuch ist bei der SPD nun auf
Wiedervorlage. Freilich: Angela Merkel ist nicht Helmut Kohl. Nach 16
Jahren Regentschaft waren die allermeisten Bürger den Oggersheimer
gründlich leid. Dagegen kann sich die amtierende Kanzlerin auf breite
Sympathien in der Bevölkerung stützen. Nur ist das eben keine
Garantie für einen Wahlsieg. Obwohl es Deutschland insgesamt blendend
geht, beschleicht viele das Gefühl, dass es dabei nicht sonderlich
gerecht zugeht. Dagegen anzugehen, dafür ist Rot-Grün der erste
politische Adressat. Es braucht daher auch nicht viel Fantasie, um
sich auszumalen, welche Anträge und Gesetzentwürfe SPD und Grüne in
die Länderkammer einbringen werden, um Schwarz-Gelb zu piesacken: Da
wird es um einen flächendeckenden Mindestlohn gehen, um die
Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerflucht, aber auch um den
verstärkten Krippenausbau sowie die Abschaffung des bereits
beschlossenen Betreuungsgeldes und die Streichung der
Steuerermäßigung für Hoteliers. Es sind Themen, die bewegen und, ja,
auch polarisieren. Nach der Wahl in Niedersachsen ist der Kampf ums
Kanzleramt endlich wieder spannend geworden. Auch das ist eine gute
Nachricht. Denn sie motiviert nicht nur die Parteien, sie mobilisiert
auch ihre Wähler.

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