Lausitzer Rundschau: Staatlicher Quotenflop Geheimdienste sammeln Millionen Daten

Es klingt schier unglaublich: Mehr als 37
Millionen E-Mails haben Deutschlands Geheimdienste im Jahr 2010
mitgelesen – automatisch gescannt nach Schlagworten wie „Bombe“,
„Rakete“ oder „Atom“. Dabei, so bilanziert das parlamentarische
Kontrollgremium des Bundestages, seien den Ermittlern 213 verwertbare
Hinweise in die Hände gefallen – eine Treffer-Quote von 0,0006
Prozent. Das wirft Fragen auf. Vor allem nach der Rechtmäßigkeit der
Staats-Schnüffelei. Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht auf den
Tag genau vor vier Jahren, am 27. Februar 2008, zu
Online-Durchsuchungen geurteilt: Heimlicher Zugriff auf
„informationstechnische Systeme“ verletze „das allgemeine
Persönlichkeitsrecht als Grundrecht . . . auf Vertraulichkeit“ – es
sei denn, den Fahndern liegen konkrete Hinweise auf schwerste
Straftaten der Auszuspähenden vor. Insofern wird die Daten-Sammelwut
hoffentlich eine politische Debatte auslösen, an deren Ende Gerichte
erneut zu Verteidigern der Bürgerrechte werden könnten. Andererseits
aber steht der Staat in der Pflicht, seine Bürger vor Gewalt zu
schützen: Hätten die Ermittler ein bisschen wachsamer auf
Mailverbindungen geschaut, wäre die Zwickauer Terrorzelle vielleicht
früher aufgeflogen, etliche Menschen könnten noch leben. Aber leider
nur vielleicht: Den meisten Internet-Kundigen ist nämlich bewusst,
dass normale E-Mails für halbwegs talentierte Schnüffler ein offenes
Buch sind. So verwundert auch der Quoten-Flop der Geheimdienstler
nicht – statt Masse wäre mehr Ermittlungsklasse nötig.

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