Lausitzer Rundschau: Union, SPD und FDP wollen Rederecht im Bundestag beschränken / Die falsche Konsequenz / Von Tim Albert

Ende September vergangenen Jahres traf
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) eine Entscheidung, die ihm
einerseits viel Respekt, andererseits aber eine Menge Ärger
einbrachte: In der Debatte um die Aufstockung des
Euro-Rettungsschirmes erteilte er zwei Abgeordneten das Wort, die von
ihren Fraktionen abweichende Meinungen vertraten – den
„Euro-Rebellen“ Klaus-Peter Willsch (CDU) und Frank Schäffler (FDP).
Es war dies ein klarer Bruch der parlamentarischen Konventionen, nach
denen die Fraktionen selbst entscheiden, wer aus ihren Reihen zu
welcher Sache ans Rednerpult tritt. Lammert nahm ihn in Kauf, weil er
meinte, dass die Debatte im Vorfeld einer derart wichtigen und
möglicherweise sehr folgenreichen Entscheidung auch die öffentliche
Kontroverse zum Thema widerspiegeln müsse. Der Bundestagspräsident
hat damit der demokratischen Kultur einen Dienst erwiesen – aber die
Fraktionschefs gegen sich aufgebracht und sich eine Rüge des
Ältestenrates eingehandelt. Schon das war übertrieben, nun aber haben
Union, SPD und FDP einen Entwurf auf den Tisch gelegt, der – offenbar
als Reaktion auf Lammerts Vorgehen – das Rederecht einzelner
Abweichler deutlich einschränken will. Das wäre nun wirklich die
völlig falsche Konsequenz: Demokratie lebt vom Streit der Meinungen,
und es kann dem Ansehen der Fraktionen und der Glaubwürdigkeit der
Politik insgesamt nur dienen, wenn abweichende Ansichten in den
großen Fragen auch dokumentiert werden – innerhalb der Debatte und
nicht nur als persönliche Erklärungen in deren Anschluss. Ein
Parlament ist dazu da, kontroverse Diskussionen zu führen, nicht sie
zu verhindern.

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