Lausitzer Rundschau: Von wegen Rabenmütter Zur Studie über die Geburtenrate in Deutschland

Kinder, die heute nicht geboren sind, können keine
Kinder kriegen. Und deren nicht geborene Kinder auch nicht. Und so
weiter. Die niedrige Geburtenrate in Deutschland ist ein Schwungrad,
das, einmal in Gang gebracht, nicht mehr stoppt. Es sei denn, es
kämen ganz viele Zuwanderer. Oder es käme irgendwann eine Generation,
die die notwendige Quote von 2,1 Geburten je Frau wieder wollen
würde. Jawohl: wollen. Nicht: können. Die aktuelle Studie des
Bundesinstituts für Bevölkerung ist nicht die Erste, die darauf
verweist, dass die Geburtenzahl von 1,39 je Frau in Deutschland mit
Einstellungen zu tun hat, die kulturell gewachsen sind. Die also
politisch veränderbar sind, indem man die Rahmenbedingungen
verändert. Schon Ursula von der Leyen hat 2007 eine ähnliche
Untersuchung präsentiert, damals im direkten Vergleich mit
Frankreich, das mit 2,0 Geburten je Frau nahe an der Reproduktion der
eigenen Bevölkerung liegt. Das Ergebnis, heute wie gestern: Deutsche
Frauen fürchten, als „Rabenmütter“ zu gelten, wenn sie trotz Kind
arbeiten. Also verschieben sie ihren Kinderwunsch immer wieder, bis
alles passt. Das heißt oft: Bis es zu spät ist. So spät, dass ein
zweites oder drittes Kind dann nicht mehr kommt. Die Französinnen und
Franzosen hingegen haben eine ganz andere Einstellung auch zum frühen
Kinderkriegen, weil die gesellschaftlichen Umstände anders sind. Wie
viele selbst beauftragte Studien braucht die Bundesregierung noch, um
endlich aufzuhören, etliche der 150 Milliarden Euro, die jährlich für
familienpolitische Leistungen zu Verfügung stehen, sinnfrei zu
verpulvern, etwa mit dem Ehegattensplitting? Oder mit dem
Betreuungsgeld, das völlig kontraproduktiv wieder ein Signal für die
daheim erziehende Mutter ist und den anderen so noch mehr ein
schlechtes Gewissen macht? Es ist zu hoffen, dass das Sein langsam
auch bei uns das Bewusstsein verändert. Dass mit dem beschlossenen
Krippenausbau, der nächstes Jahr in einen Rechtsanspruch mündet, die
Vereinbarkeit von Beruf und Familie immer normaler wird. Für Frauen –
und für die Männer. Umgekehrt muss es sein: Nicht jene, die trotz
angeblicher Karriereerfordernisse ein Kind erwägen, dürfen unter
moralischen Druck geraten. Der muss sich vielmehr auf jene richten,
die die Rahmenbedingungen nicht so gestalten, dass Kinderkriegen
selbstverständlich möglich ist. Ihnen muss man ein schlechtes
Gewissen machen. Nicht Rabenmütter darf es heißen. Sondern
Raben-Firmen – und Raben-Regierung.

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