Die Grünen haben erste Weichen für die kommende
Bundestagswahl gestellt. Personell und inhaltlich. Spätestens seit
ihrem Parteitag am Wochenende in Hannover sind die Öko-Aktivisten im
Wahlkampfmodus. Mit grüner Politik sollen schwarze Wähler gewonnen
werden, wie die neue starke Frau der Ökos, Katrin-Göring Eckardt,
verkündete. Dieser Vorsatz steht allerdings in auffälligem Kontrast
zu den gleichzeitig verabredeten Beschlüssen. Göring-Eckardt mag
wegen ihrer protestantischen Gläubigkeit für „bürgerliche“ Wähler
attraktiv sein. Die grüne Programmatik ist es nicht. Wer daran
zweifelt, der sollte das umfängliche Papier zur Sozialpolitik
studieren, das die Partei in der niedersächsischen Landeshauptstadt
verabschiedet hat. Von einer kräftigen Anhebung des einst selbst mit
nach unten korrigierten Spitzensteuersatzes über die Verdopplung der
Erbschaftsteuer bis zur Revision der Hartz-Reform reichen jetzt die
Forderungen. Sicher gibt es dafür viele Argumente. Dass der grüne Ruf
nach massiver Umverteilung bürgerliche Wähler elektrisiert, ist
allerdings kaum zu erwarten. So gesehen war es dann auch konsequent,
dass sämtliche grüne Promis vom Realo bis zum soften Fundi allen
schwarz-grünen Spekulationen eine Absage erteilten. Zählte allein ihr
sozialpolitischer Sinnenswandel, dann müssten die Grünen am ehesten
der Linkspartei eine Koalition anbieten. Deren Kampflieder über die
angebliche Verelendung der Massen und die Notwendigkeit einer
radikalen Umkehr hören sich jedenfalls nicht viel anders an. Und noch
eine bemerkenswerte Erkenntnis hat der Parteitag in Hannover
gebracht: Vorsitzende haben bei den Grünen nichts zu melden. Als
interne Führungsfigur halten sie Claudia Roth zwar noch für geeignet.
Aber nicht als (Wähler) gewinnende Außendarstellerin. Das
Traumergebnis bei Roths Wahl zum Parteivorsitz ist das Produkt einer
Mischung aus Harmoniesucht, schlechtem Gewissen und fehlender
personeller Alternative. Die einstige Grünen-Ikone bleibt
angeschlagen. Dazu war die ehrliche, auf breiter Urwahl-Basis
verabreichte Klatsche zu heftig. Weil für die Realos mittlerweile
genauso kompatibel wie schon vordem für die Partei-Linken ist Jürgen
Trittin jetzt der starke Mann der Grünen. Und was heißt das alles nun
für die nächste Bundestagswahl? Die Grünen sind zumindest auf dem
Papier nach links gerückt. Sie werden einen sozial betonten Wahlkampf
führen, nachdem ihre ökologische Karte durch den schwarz-gelben
Atomausstieg weitgehend ausgereizt ist. Und sie setzen einmal mehr
auf ein Bündnis mit der SPD. Doch für den nicht unwahrscheinlichen
Fall, dass es dazu am Wahlabend nicht reicht, werden die
Koalitions-Karten neu gemischt. Erst dann wird sich zeigen, ob die
Union für die Grünen der Schwarze Peter ist.
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