Leinen los für Kita-Kinder: Phantasiereise durch die Sinnesinseln

Mehr Chancengleichheit für Kinder zu schaffen
bedeutet, an vielen Stellschrauben zu drehen. „Eine
Grundvoraussetzung für bessere Bildung ist, alle Kinder in der Kita
rechtzeitig auf die Herausforderungen in der Schule vorzubereiten.“,
bekräftigt die Ergotherapeutin Julia Bauschke, DVE (Deutscher Verband
der Ergotherapeuten e. V), die das Programm „Piratenreise“
mitentwickelt hat. Dieses nimmt Vorschulkinder spielerisch unter die
Lupe und hilft beurteilen, wie weit Aufmerksamkeit, mathematisches
Verständnis, soziale und emotionale Kompetenzen sowie weitere für die
Schule wichtige Fähigkeiten ausgeprägt sind. Defizite lassen sich
dadurch zielgerichtet fördern, vorhandene Stärken werden weiter
ausgebaut.

Wie gut es Kindern gelingt, in der Grundschule an- und
mitzukommen, hängt unter anderem davon ab, wie weit ihre
körperlichen, geistigen und sozialen Fähigkeiten entwickelt sind. Die
Ergotherapeutin Julia Bauschke behandelt in ihrer täglichen
Arbeitspraxis häufig Kinder aus der ersten oder zweiten Schulklasse
wegen unterschiedlicher Schwierigkeiten. Sie meint jedoch: „Besser
wäre, wenn es gar nicht dazu kommt. Denn bei den meisten Kindern sind
Auffälligkeiten bereits in der Kita zu beobachten, beziehungsweise
kann bereits dort für alle Kinder in spielerischer Form eine
zielgerichtete Vorbereitung für die Schule stattfinden.“. Anlass für
die Ergotherapeutin und ihre Kollegen aus weiteren Disziplinen, das
Konzept der Piratenreise auszuarbeiten. Damit hat sie ebenso wie
weitere ergotherapeutische Praxen, die dieses Programm für Kitas
anbieten, mittlerweile vielen Kindern und deren Eltern, zu einem
besseren Schulstart verholfen hat.

Teambuilding für Kita-Kinder

Kinder lieben Abenteuer und die Imagination. Das macht sich die
Expertin zunutze, wenn sie oder andere Ergotherapeutinnen, die nach
diesem Konzept arbeiten, das erste Mal als Kapitän mit einer neuen,
achtköpfigen Piratenmannschaft zusammentreffen. Dann heißt es: Die
Kita-Kinder für das Neue, Unbekannte, Aufgaben und Herausforderungen,
die sie bestehen sollen, begeistern. Und vor allem den Teamgeist
heraufbeschwören, das Zusammenhalten propagieren. Das spielt eine
große Rolle im Konzept. Die Ergotherapeutin Bauschke erklärt am
Beispiel eines Mädchens, das in seiner Kita-Gruppe unbeliebt und ein
Außenseiter war, warum das so wichtig ist: „Das Mädchen, mit dem in
der Kita-Gruppe keiner etwas zu tun haben wollte, hatte in einer
neuen Gruppensituation die Chance, neu zu starten, sich eine neue
Rolle zu definieren. Dadurch, dass die Regeln lauten –wir sind eine
Mannschaft– und –alleine geht es nicht–, gibt es immer die
Möglichkeit, solche Kinder ins Boot zu holen und in die Gemeinschaft
einzubeziehen. Das besagte Mädchen wurde also bei den zu
bewältigenden Aufgaben genauso angefeuert, wie alle anderen.“ Durch
die positive Erfahrung, beim Mitmachen Anerkennung zu erhalten,
wuchsen ihr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen. Sie fasste immer
öfter den Mut, auch in ihrem Kita-Alltag etwas zu sagen; sie wurde
auf den Weg gebracht.

Kita-Kinder auf Piratenreise

Im Lauf der jeweils einstündigen, auf 32 Wochen verteilten
Phantasiereise steuern die Kita-Kinder verschiedene Inseln an. So
verweilen sie beispielsweise auf der Körper- oder der Sinnesinsel,
reisen weiter zur Insel mit den Erzählegespenstern oder dem
Lauschedrachen und bestehen dort Abenteuer. Sie dürfen mit
Sandsäckchen Mangos abwerfen, um die Vorräte zu schonen und
Abwechslung in die Kombüse zu bringen oder Kartoffelsäcke unter Deck
bringen. Immer im Ausguck: eine zweite Fachkraft, die die hierfür
vorbereiteten Beobachtungsbögen ausfüllt und für die teilnehmenden
Kinder dokumentiert, wie es um deren Auge-Hand-Koordination,
Gleichgewicht, Feinmotorik steht. Oder bei anderen Spielen um die
Entwicklung weiterer Kompetenzen wie passives Sprachverständnis oder
sprachliche Ausdrucksfähigkeit. Aus allen Beobachtungen erstellen die
meist ebenfalls ergotherapeutischen Fachkräfte ein aussagefähiges
Profil für jedes Kind

Wichtig für Ergotherapeuten: Alle ins Boot holen…

Stellen die Ergotherapeutinnen Auffälligkeiten fest, besprechen
sie sich zunächst nach der Stunde beim sogenannten „Tür und
Angel-Gespräch“ mit den Erzieherinnen. Weisen etwa auf eine
Tonusproblematik – das ist eine verringerte Muskelspannung – in der
Schulter hin und bitten die Erzieherinnen im Kita-Alltag darauf zu
achten, wie das Kind sich im Umgang mit Besteck verhält, ob es
Schwierigkeiten mit der Schere hat, gerne puzzelt oder
feinmotorischen Aufgaben lieber aus dem Weg geht. Und machen sich
gemeinsam mit den Erzieherinnen Gedanken, wie sie dieses Defizit im
Kita-Alltag durch entsprechende Spiele oder andere Aktivitäten
verbessern können. Erkennen die Ergotherapeutinnen Kinder mit stärker
ausgeprägten Auffälligkeiten oder Störungen, beziehen sie direkt die
Eltern mit ein, empfehlen, ihre und eventuell eigene Beobachtungen
mit dem Kinderarzt zu besprechen. Das bringt Klarheit. Ist über die
Förderung hinaus etwa eine ergotherapeutische Behandlung notwendig,
stehen die Chancen in derart früh erkannten Fällen gut, mit einer
kürzeren und effektiveren Intervention optimale Ergebnisse zu
erzielen. Und Probleme, die den Schulstart erschweren würden,
rechtzeitig zu beheben oder wenigstens zu reduzieren.

… und die Eltern einbeziehen

Ebenso typisch ergotherapeutisch sind die Elternabende als
verbindendes Element aller Personen im Umfeld der Kinder. Hier
erfahren die Eltern und Erzieher in einer Kurzpräsentation, weshalb
die den jeweiligen Inseln zugeordneten Themen so wichtig sind. Und
was die Ergotherapeuten durch die Abenteuer dort herausfinden und
fördern beziehungsweise welche Vorläuferfähigkeiten für die Schule
darin stecken. „Am spannendsten ist immer der interaktive Part.“,
verrät Julia Bauschke. Das wundert nicht, denn dann dürfen die Eltern
der Kita-Kinder spielen. Der Aha-Effekt bleibt dabei nicht aus, denn
auch Eltern lernen spielend. Nämlich welche Fähigkeiten nötig sind,
um beispielsweise mit den anderen Eltern im Team erfolgreich einen
Turm zu bauen. Sie müssen über bestimmte feinmotorische Fähigkeiten
verfügen, sich absprechen, wer den nächsten Stein obenauf setzt,
abwarten können, bis sie wieder dran sind oder bei der Planung und im
Bauprozess den anderen aussprechen lassen. Eltern wissen selbst am
besten, wie sich das eigene Kind in bestimmten Situationen verhält.
Und es kommt ihnen im Lauf des Prozesses wieder in den Sinn, dass sie
Vorbild für ihre Kinder sind, indem sie Verhalten vorleben. Zum
Beispiel, wie sie beim Mensch ärgere Dich nicht verlieren können oder
wie sie mit Wut umgehen.

Fördern spielend in den Alltag integrieren

Nicht alle Eltern spielen gerne. Das ist nicht schlimm, denn in
der so genannten Expertenrunde beim Elternabend überlegen sich alle
gemeinsam Fördermöglichkeiten im Alltag. Und stellen dabei fest, wie
hilfreich es für die gesamte Familie ist, die Kinder bei
Alltagshandlungen einzubeziehen. Weil die Kinder beispielsweise beim
Tischdecken lernen, die Anzahl Gedecke abzuzählen, Messer und Gabel
rechts und links zuzuordnen, mitzudenken, nachzufragen und dabei
ihren Sprachschatz erweitern. Und die Eltern lernen, wie sie sich am
Ende des Tages mit ihrem Kind über dessen Erfolg freuen. So, dass es
am Ende der Piratenreise und der Kita-Zeit motiviert das Neuland
Schule betritt.

Mehr zur Piratenreise gibt es hier: http://www.piratenreise.net
Weitere Informationsmaterialien zu vielen anderen Themen halten die
Ergotherapeuten des DVE (Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.)
bereit. Ergotherapeuten in Wohnortnähe sind auf der Homepage des
Verbandes im Navigationspunkt Service und Ergotherapeutische Praxen,
Suche, zu finden.

Pressekontakt:
Angelika Reinecke, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit des DVE e.V.
Telefon: 033203 – 80026, E-Mail: a.reinecke@dve.info

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