Ein „Tauziehen“ sei es gewesen, hieß es, die
Formulierung der Abschlusserklärung nach der
Ministerpräsidententagung am Freitag. Inhalt: Die Bundesländer wollen
den Kapazitätsausbau bei der Energieerzeugung künftig besser
untereinander abstimmen. Konkrete Pläne, verbindliche Ziele –
Fehlanzeige. Antworten gibt–s vielleicht beim nächsten
„Energiegipfel“ am 2. November. Die Bilanz des Ländertreffs passt ins
traurige Bild, das die Energiewende in diesen Wochen abgibt. Als
„dritte industrielle Revolution“ nach Dampfmaschine und Automobil
gestartet, ist von der historischen Chance auf eine Energiegewinnung
im Einklang mit der Natur nur mehr wenig geblieben. Wer spricht noch
von einer atomkraftfreien Zukunft, von Klima- und Naturschutz, von
CO-Reduktion und dem Kyoto-Protokoll? Stattdessen haben es die
Lobbyisten der Großindustrie und der Stromriesen geschafft, die
Debatte auf den wundesten Punkt der Deutschen zu lenken: ihren
Geldbeutel. Tatsächlich macht der Blick auf seine Stromrechnung
selbst den hartgesottensten Alternativen mürbe. Rund 25 Cent sind
aktuell für eine Kilowattstunde Strom fällig – seit Beginn der
Liberalisierung zur Jahrtausendwende haben sich damit die Kosten für
Privathaushalte nahezu verdoppelt. In abgeschwächter Form gilt das
übrigens auch für kleine und mittlere Unternehmen. Während die
Politik drinnen über Preise, Pläne und Pfründe streitet, geht draußen
der Nervenkrieg weiter. Das Internetvergleichsportal Verivox hat am
Freitag vorgerechnet, was im kommenden Jahr noch alles auf die
Stromrechnung draufgesattelt wird: Höhere EEG-Umlage und
Netzentgelte, die neue Offshore-Haftungsumlage und natürlich die
Umlage für die Befreiung stromintensiver Betriebe von den
Netzentgelten – summa summarum rund 130 Euro zusätzlich für jeden
Familienhaushalt. Bei derartigen Preisanstiegen geraten nicht nur
sparsame Schwaben in Rage. EU-Kommissar Günter Oettinger – sicher
kein überzeugter Öko-Fundi – warnte diese Woche eindringlich, „die
Strompreise bezahlbar zu halten, sonst sei auch die soziale
Gerechtigkeit in Gefahr“. Das Bittere ist, dass Oettinger mit dem
Wörtchen „auch“ die Zukunft der Energiewende an sich gemeint haben
könnte. Denn tatsächlich werden wir an zusätzlichen Kosten für
Netzausbau, Speichertechnologien und neue (Öko-) Kraftwerke nicht
herumkommen. Doch in absehbarer Zeit wird auch hier eine Wende
eintreten. Wenn in ein paar Jahren die Netze modernisiert, die
Energieausbeute gesteigert und die Effizienz erhöht ist, werden die
Kosten dafür sinken. Wenn andere Länder über die Endlichkeit fossiler
Brennstoffe und die Entsorgungskosten für die Endlagerung atomaren
Abfall streiten, wird es sich auszahlen, dass Wind und Sonne uns zwar
mehr Energie liefern als wir verbrauchen können, aber keine Rechnung
schicken. Eine schöne Perspektive eigentlich, ein wertvolles
Geschenk, das wir unseren Kindern hinterlassen könnten – vielleicht
sogar verbunden mit einer visionären Geschäftsidee: die energetische
Verbindung von Ökologie und Ökonomie hinaus in die Welt zu tragen. In
der aktuellen Diskussion gilt jedoch das Wort von Ex-Kanzler Helmut
Schmidt, der Visionären den Arztbesuch nahelegte. Die Deutschen haben
zunehmend die Nase voll von der Energiewende, die immer schneller
ihre Geldbörsen leert. Eine Deutschlandtrend-Umfrage am Freitag
ergab, dass nur mehr jeder Zweite gewillt ist, für saubere Energie
noch tiefer in die Tasche zu greifen. Diese Umfrage gehört als
Tischvorlage den Teilnehmern nächste Woche am Energiegipfel – dem
dritten heuer – auf den Platz gelegt. Denn die Gefahr ist groß, dass
im Fall eines Scheiterns die Zustimmung weiter sinken und das Risiko
einer Energiewende rückwärts dafür weiter steigen wird.
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