Mittelbayerische Zeitung: Falsche Scham / Kommentar zu sexueller Belästigung

Gut gemeint ist häufig das Gegenteil von gut
gemacht. Auch im Verhältnis von Mann und Frau. Was der eine noch als
anerkennende Bemerkung über körperliche Vorzüge versteht, kommt bei
der anderen schon als verbaler Übergriff an. Wo genau die
Demarkationslinien in den einzelnen Ländern liegen, damit dürfen sich
suchende Singles auf Reisen beschäftigen. Wirklich wichtig ist dieses
Ergebnis der aktuellen Studie: Eine allgemein verbindliche rote Linie
gibt es nicht. Wann es zu schlüpfrig, zu dreist, zu nah wird, das
richtet sich nach dem Stand des gesellschaftlichen Diskurses, nach
kultureller Überlieferung, auch nach dem Stand der Rechtsprechung.
Vor allem aber nach der Persönlichkeit der Frau (oder des Mannes,
denn auch die werden mitunter belästigt). Statt also um den Verlauf
der roten Linie zu streiten, sollte man fragen, warum das Thema immer
noch so schambesetzt ist, dass Betroffene jahrelang schweigen. Wem
10o Euro gestohlen werden, der erzählt Familie und Freunden davon,
vielleicht geht er zur Polizei. Für jeden, der einen sexuellen
Übergriff erlebt hat, sollte das hoffentlich bald ein ganz
selbstverständlicher Weg sein.

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