Perfide Argumente
Zu Recht bekommt Günter Grass heftigen Gegenwind zu spüren. Was er
unter dem Titel „Was gesagt werden muss“ veröffentlicht hat, verdreht
die Tatsachen. Grass operiert mit Vorurteilen, die seiner nicht
würdig sind. Der Schriftsteller stilisiert sich als Tabubrecher. Doch
das ist er nicht. Das angeblich Unaussprechliche erschien
gleichzeitig in drei internationalen Tageszeitungen und ist seither
in aller Munde. Die Politik der Regierung Netanjahu wird häufig
kritisiert, in Deutschland und in Israel. Niemand verbietet das.
Viele warnen vor einem Rüstungswettlauf im Nahen Osten und einem
drohenden Krieg zwischen Israel und dem Iran. Grass will die
moralische Instanz sein, die den Mut hat, das Schweigen einer
angeblich heuchlerischen westlichen Welt zu brechen – und verkennt
dabei politische Realität. Er stilisiert Israel zum Aggressor und
formuliert brachial, wenn er schreibt, Israel könnte das iranische
Volk „auslöschen“. Den iranischen Diktator und Holocaustleugner
Ahmadinedschad verharmlost Grass als „Maulhelden“ – dabei spricht
dieser dem Staat Israel das Existenzrecht ab. Ein politischer Mensch
war Grass immer. Das ist gut so, denn Intellektuelle mischen sich zu
selten ein. Stattdessen dominieren Lobbyisten, Betroffene und
Pseudo-Intellektuelle die TV-Talkshows. Doch Grass– als „Gedicht“
getarnter politischer Leserbrief zeugt nicht von intellektuell
scharfer Analyse, sondern heischt nur nach Aufmerksamkeit. Grass
argumentiert perfide, wenn er behauptet, man dürfe die israelische
Regierung nicht kritisieren, sonst drohe der Antisemitismus-Vorwurf.
So bedient er das Stereotyp des angeblich mächtigen Judentums, das
den Diskurs kontrolliert. Grass will sich so gegen Widerspruch
immunisieren. Jede Kritik an ihm bestätigt scheinbar seine Aussage.
Rechte Trommler begeistert das – nur gut, dass er auch viele Kritiker
hat.
von Katharina Kellner, MZ
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