Gefahr erkannt: Seit im November vergangenen
Jahres die Zwickauer Terrorzelle aufflog, wird das Thema
Rechtsextremismus in Deutschland wieder ausgiebig in der
Öffentlichkeit diskutiert. Die Behörden mühen sich, die Helfer der
NSU-Terroristen ausfindig zu machen und räumen mit Razzien in der
rechten Szene auf. Die Politik streitet indes um ein erneutes
NPD-Verbotsverfahren und betont immer wieder die Gefahr, die
rechtsextremes Gedankengut für die Demokratie darstellt. Nach
jahrelanger Bagatellisierung rechter Gewalt scheint hier endlich
wieder ein Problembewusstsein zu entstehen. Gefahr also gebannt? Wohl
kaum – denn immer noch wird in Deutschland der Rechtsextremismus als
bedauerliche Ausnahmeerscheinung behandelt und mit Rassismus
gleichgesetzt. Nach dem Motto: Die Rassisten da rechts außen und wir
hier in der toleranten Mitte. Dabei zeigen Studien der vergangenen
Jahre, dass Rassismus, sich in allen erdenklichen Bevölkerungsgruppen
sowie auch politischen Parteien und Institutionen wiederfindet. So
geht es beim heutigen Internationalen Tag gegen Rassismus auch nicht
um „Nazis raus!“ sondern um die Beseitigung des Rassismus– in der
Mitte der Gesellschaft. Rassismus wird meist mit offener
Diskriminierung, Beschimpfung oder Gewalt gegen „Ausländer“
assoziiert. Auch die routinemäßigen Warnungen vor Überfremdung oder
den xenophoben Sozialneid in Zeiten wirtschaftlicher Krisen sind nur
ein Teil des Rassismusproblems – so gefährlich diese Tendenzen auch
sind, gerade wenn sie von Politikern im Wahlkampf aufgegriffen und
missbraucht werden. Es geht vielmehr um Vorurteile und Klischees, die
fest in der Gesellschaft verankert sind, selten hinterfragt werden
und häufig recht subtil daherkommen. Dabei werden bei solchen
Gelegenheiten Bilder reproduziert, die im 18. und 19. Jahrhundert im
Zusammenhang mit der Entstehung des Begriffs „Rasse“
pseudowissenschaftlich Klassifizierung der Menschen unterstützten:
Schwarze haben Rhythmus im Blut und sind „wild“, Weiße können
rationaler denken und so weiter. Diese leicht zu entlarvenden – aber
immer noch vorhandenen – Vorurteile setzen sich im Kulturrassismus
fort. Die Zugehörigkeit zu einer kulturell als Einheit gesehenen
Gruppe wird mit den Eigenschaften der Menschen in Verbindung
gebracht. Ein Beispiel ist die Bezeichnung „Dönermorde“, die zunächst
weitgehend unkritisch in der Öffentlichkeit für die NSU-Anschlagserie
übernommen wurde. Wer auf oft nicht einmal böswillig gemeinte
Rassismen im Alltag hinweist, wird schnell als politisch korrekt
gebrandmarkt – was seit einigen Jahren als Diffamierung gilt. „Das
wird man jawohl nochmal sagen dürfen“ oder „ist ja nur ein Witz“
heißt es dann gegenüber den überkorrekten Spaßbremsen. Dabei können
sich auf diese Weise entsprechende Denkmuster behaupten und das
Zusammenleben erschweren. Nun ist es sicherlich falsch, aus Angst vor
dem inneren Rassisten, mit selbstverpasstem Maulkorb durch die Welt
zu laufen. Der Internationale Tag gegen Rassismus ist jedoch ein
Anlass, über die eigenen Vorurteile und deren Ursprung nachzudenken.
Dann wird man zu der Überzeugung kommen, dass das
„Integrationsproblem“ kein kulturelles oder gar „rassisches“ ist, wie
es die Rechtsextremen uns weiß machen wollen. Es klingt banal, aber
nur im offenen Umgang miteinander kann man Vorurteile abbauen und
damit den Rechten das Gefühl entziehen, es gäbe in der Bevölkerung
eine Basis für ihre absurde Weltanschauung.
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