Von Hanna Vauchelle
Sie haben Briefe geschrieben, eine Resolution verfasst und den
zuständigen Wettbewerbskommissar mehrmals persönlich aufgesucht. Am
Ende waren all die Anstrengungen der ostbayerischen
Europa-Abgeordneten umsonst. Einen Sondergebietsplafonds für die
grenznahen bayerischen Gebiete wird es nicht geben. Damit fallen
Oberfranken, Niederbayern und die Oberpfalz aus ihrer bisherigen
Förderkategorie heraus. Die Landung auf dem Boden der Tatsachen ist
auch deshalb so hart, weil die Kommission im Alleingang entscheidet.
Hier liegt ein Fehler im System vor. Ein Europa der Regionen – davon
träumt man in Brüssel. Dieser Vision ist auch die Regionalpolitik
geschuldet, die darauf bedacht ist, einen Ausgleich zwischen ärmeren
und reicheren Gebieten in der EU zu schaffen. Wohlstand und dieselben
Chancen für alle, so soll Europa zusammenwachsen – lautet die Devise.
Doch mit ihrem engstirnigen Vorgehen konterkariert die EU-Kommission
die eigene Vision. Denn ausgerechnet entlang des früheren Eisernen
Vorhangs wird sich nun mitten in Europa ein tiefer Graben auftun.
Keine Frage, die tschechischen Regionen stehen wirtschaftlich
schlechter da als der EU-Durchschnitt und haben deshalb einen
legitimen Anspruch auf die höchste Förderkategorie. Dies soll nicht
in Zweifel gezogen werden. Doch auf der anderen Seite der Grenze ist
längst nicht alles so rosig, wie es die Statistiker nach Brüssel
vermelden. Der demographische Wandel macht den ostbayerischen
Regionen zu schaffen, Politiker sprechen von einer gefährlichen
Auszehrung. Umso unverständlicher ist der harte Schnitt: In den
kommenden sieben Jahren soll Ostbayern komplett auf nationale
Fördermittel verzichten müssen. Diese Entscheidung ist im Sinne der
aus Brüssel stets propagierten Regionalpolitik nicht
nachzuvollziehen. Die bayerischen Europa-Abgeordneten haben Recht,
wenn Sie auf mehr Mitspracherechte pochen. Es kann nicht sein, dass
der Wettbewerbskommissar derart weitreichende Entscheidungen im
Alleingang trifft und die Stimmen aus Parlament und Mitgliedsstaaten
dabei nicht zählen. Sicherlich, die EU-Kommission ist zugleich
Europas oberste Wettbewerbsbehörde. Deshalb ist es richtig, dass sie
Kartellentscheidungen gegen Unternehmen unabhängig trifft und somit
den Wettbewerb auf dem europäischen Markt schützt. Aber wenn es um
die Regionen geht, steht ungleich mehr auf dem Spiel. Hier geht es um
das Zusammenwachsen Europas. Die Abgeordneten als Vertreter ihrer
Regionen müssen die Möglichkeit bekommen, am Entscheidungsprozess
mitzuwirken. Es ist ein generelles Problem, dass die Parlamentarier
trotz des Lissabonvertrags von den anderen EU-Institutionen teilweise
immer noch nicht Ernst genommen werden. Aktuellstes Beispiel ist der
Machtkampf um den siebenjährigen Finanzrahmen. Hier haben die
Mitgliedsstaaten die Position des Parlamentes zuletzt einfach
übergangen. Das Gezerre um das Budget geht nun von vorne los.
Dennoch: Das letzte Wort über die Regionalförderung ist noch nicht
gesprochen. Denn Brüssel hat den Mitgliedsstaaten einen größeren
Entscheidungsspielraum bei der Erstellung der jeweiligen Förderkarten
eingeräumt. Berlin kann also den ostbayerischen Regionen durchaus
noch den gewünschten Sonderstatus einräumen – vorausgesetzt die
vorgegebenen Kriterien sind erfüllt. So wie sich die
Europa-Abgeordneten abgemüht haben, müssen nun die Kollegen aus dem
Bundestag ran. Es gilt, die Regierung von der Notwendigkeit der
Fördermöglichkeiten zu überzeugen. Dann wird Europa in den kommenden
sieben Jahren vielleicht doch noch ein Stück weiter zusammenwachsen.
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