Neue OZ: Kommentar zu Libyen

Bomben aufs Pulverfass?

Eine Welle des Protestes spült alle alten Herrscher hinweg, und
die Nordafrikaner genießen bald Freiheit und Demokratie. Wer davon
geträumt hat, sieht sich bitter enttäuscht: In Libyen zumindest ist
ein Ende des Machtkampfes nicht abzusehen. Stattdessen versinkt das
Land in Gewalt – eine Tragödie.

Welch Unterschied zur Entwicklung in Ägypten. Dort dauerte es nur
18 Tage, dann gab Präsident Mubarak unter dem Druck der
Massenproteste auf. Entscheidend war das Militär, das sich gegen das
alte Regime gestellt hat und nun freie Wahlen ermöglichen will. Noch
ist das Ende offen, doch gibt es berechtigte Hoffnung auf eine
demokratische Zukunft – ebenso wie in Tunesien, das den räuberischen
Ben-Ali-Clan abgeschüttelt hat.

Nichts von alldem gilt bislang für Libyen. Das Militär ist
gespalten, schlägt sich nur teilweise auf die Seite der
Aufständischen. Große von Machthaber Gaddafi alimentierte Clans haben
viel zu verlieren. Hinzu kommt: Gaddafi selbst ist ein
unberechenbarer Diktator, der keine Skrupel kennt, auf das eigene
Volk schießen zu lassen.

In dieses Pulverfass hinein müssten Luftangriffe geflogen werden,
wenn die vielseits geforderte Flugverbotszone durchgesetzt werden
soll; Voraussetzung dafür ist eine Zerstörung libyscher Flugzeuge und
Luftabwehrwaffen. Dass die USA zögern, ist angesichts der Risiken
verständlich. Auch sollte respektiert werden, dass viele Libyer alles
daransetzen wollen, das verhasste Regime aus eigener Kraft zu
stürzen. Doch eskaliert der Bürgerkrieg, muss Gaddafi wenigstens die
Hoheit über den Luftraum genommen werden.

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