Neue OZ: Kommentar zu Prozesse / Affären / Wulff

Perfekter Auftritt

Es ist ein Phänomen: Wo immer Bettina Wulff auftritt, scheinen
Aussehen und Befinden wichtiger zu sein als das, was sie zu sagen
hat. Was hat sie an, wie wirkt sie? Diese Fragen stehen im Fokus,
nicht aber die Sache, um die es geht. So geschehen auch, als die
Noch-Ehefrau des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff jetzt vor
Gericht erschien. Sie hätte die Aussage verweigern können. Doch, und
das ist spannender als die Tatsache, dass sie eine schicke weiße
Bluse trug: Sie sagte aus.

Erstaunlich detailliert schilderte sie ihre Erinnerungen an das
Oktoberfest 2008 – und entlastete ihren Noch-Gatten. Tatsächlich
könnte dies den Prozess entscheiden, denn bisher ist es dem
Staatsanwalt nicht gelungen, ernsthaft belastende Zeugen zu
präsentieren. Würde das Verfahren nun frühzeitig beendet, läge dies
auch in Bettina Wulffs Interesse. Denn die Scheidung – und die
finanzielle Einigung – des getrennt lebenden Paares stehen noch
bevor. Käme Christian Wulff vergleichsweise günstig aus dem
Verfahren, dann blieben Anwalts- und Gerichtskosten überschaubar, und
die zu verteilende Summe wäre größer – davon hätten beide etwas.

Nicht vergessen darf man auch: Bettina Wulff ist ein Medienprofi,
sie weiß sich zu inszenieren. Am Ende bleibt deshalb das schale
Gefühl, Zeuge eines perfekten Schauspiels geworden zu sein.

Melanie Heike Schmidt

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