Heute schon ist Schwarz-Gelb Meister. Und heute
Abend reicht es vielleicht sogar zum Pokalsieg. Morgen Abend aber
wird es für Schwarz-Gelb nicht reichen: Wenn nicht alle Vorhersagen
täuschen, wird ein Bündnis von Union und FDP, das im Bund regiert und
auch die Geschicke in NRW bis 2010 lenkte, nicht genügend Stimmen für
eine Regierung sammeln können. Aber ob es für eine rot-grüne
Koalition reicht, die als Minderheitsregierung vor 60 Tagen keine
Mehrheit für die Haushaltsfinanzierung ihrer Politik organisieren
konnten, ist – wie zuletzt die Wahl in Schleswig-Holstein gezeigt hat
– ebenfalls keineswegs sicher. Es hängt davon ab, wie viele
Nordrhein-Westfalen zur Wahl gehen, und davon, wie viele die
sogenannten kleineren Parteien FDP, Linke und Piraten wählen. Die
Lager – ganz gleich, ob Schwarz-Gelb oder Rot-Grün – sind insgesamt
kleiner geworden. Das ist eigentlich kein Wunder. In einer offenen
Gesellschaft artikulieren sich Interessen auch in neuen politischen
Bewegungen. Es zeichnet eine stabile Demokratie sogar aus, dass viele
unterschiedliche Interessen sich politisch organisieren, ohne das
demokratische System an sich in Frage zu stellen. Die Lage ist
insofern stets besonders, als die Wahlen in NRW von jeher Trendwahlen
sind. Hier entstand 1966 die erste rot-gelbe Koalition aus SPD und
FDP – drei Jahre darauf wählte eben dieses Bündnis Willy Brandt zum
ersten sozialdemokratischen Bundeskanzler. Rot-Grün begann hier 1995
seine Koalitionsgeschichte und übernahm drei Jahre später auch die
Bundesregierung. 2005 ging Rot-Grün in NRW wieder unter und leitete
damit das Ende der Regierung Schröder/Fischer ein. Die 18 Millionen
Nordrhein-Westfalen bestimmen die Geschicke des gesamten Landes seit
je stärker als alle anderen Landsmannschaften. Die Euphorie der
Berliner Republik ist verflogen. Landsmannschaftliche
Bodenständigkeit aus dem Münsterland, aufstiegsorientiertes
Selbstbewusstsein in (Ost-)Westfalen-Lippe und risikobereites
Rheinland – das ist eine Mischung, die das bevölkerungsreichste
Bundesland der „Arm, aber sexy“- Philosophie der Hauptstadt
entgegenstellt. Es sind nicht die schlechtesten Werte, sondern die
besseren. NRW ist ein starkes Land. Morgen entscheiden die Wähler
auch über die Zukunft des politischen Systems. Sie geben die Antwort
auf die Frage, ob das System der großen Volksparteien Zukunft hat,
die mit einem kleineren Partner regieren können, oder ob ein
Mehrparteienbündnis oder gar eine große Koalition dauerhaft an die
Stelle treten wird. Und es gibt damit auch eine gewisse Signalwirkung
im Blick auf Berlin. Wichtig ist, dass alle Parteien, die sich um
Inhalte und Ziele streiten, im demokratischen Konsens miteinander
koalitionsfähig sind und bleiben. Wichtig ist, dass die Politik nah
bei den Menschen bleibt und sich um deren Anliegen und Sorgen
kümmert. Wichtig ist, dass die Bürger ihr Wahlrecht – die wichtigste
Errungenschaft der Demokratie – wahrnehmen. Gehen Sie also wählen!
Spätestens am Montag werden wir wissen, wie Sie entschieden haben.
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