BERLINER MORGENPOST: Das wird eine teure Fehlplanung – Leitartikel von Jochim Stoltenberg

Entschuldigungen hin, Sündenböcke her – das wird
auf jeden Fall eine teure Blamage. Noch ist weder der Imageschaden
für den Standort Berlin und darüber hinaus für den Ruf Deutschlands
als Hightech-Land abzuschätzen, noch sind die zu erwartenden
Entschädigungsforderungen zu beziffern. Nur so viel scheint klar: Bei
den bereits genannten 15 Millionen Euro zusätzlicher Kosten pro Monat
wegen der baulichen Bruchlandung in Schönefeld wird es wohl kaum
bleiben. Und auch die würden sich, wenn der BER tatsächlich erst zum
Winterfahrplan im November an den Start ginge, schon zu der enormen
Summe von 75 Millionen Euro auftürmen. Mehrkosten, für die die
Flughafengesellschaft mit ihren Eignern Berlin und Brandenburg (je 37
Prozent) sowie dem Bund (26 Prozent) geradestehen muss. Im Notfall
also der Steuerzahler – Berliner, Brandenburger und der Rest der
Deutschen. Dennoch sollte sich die Politik hüten, auf einen möglichst
frühen dritten Eröffnungstermin zu drängen. Der muss sich allein
danach richten, dass einerseits alle baulichen und
sicherungsrelevanten Komponenten in Schönefeld das Okay der
Aufsichtsbehörden finden. Andererseits sollte er einvernehmlich mit
den wichtigsten Airlines datiert werden. Mit dem Ziel, deren
Enttäuschung, Ärger und finanzielle Zusatzbürden zu mindern.
Lufthansa und Air Berlin haben der Flughafengesellschaft bereits
dicke Rechnungen angekündigt. Wer kann es ihnen verübeln angesichts
ihrer großen Pläne und Investitionen am BER sowie der finanziellen
Turbulenzen, in die sie ohnehin geraten sind. Aber das sind nur die
ganz dicken Brocken. Viele große, mittlere und kleinere kommen hinzu.
Von den Gastronomen, Händlern und privaten Bus-Shuttle-Betreibern bis
zu Autoverleihern, Transportunternehmen und neuen Mitarbeitern, die
vorerst gar nicht gebraucht werden. Wohin man auch schaut – überall
für die Betroffenen unverschuldete zusätzliche Kosten. Die
Ankündigung des Regierenden Bürgermeisters, für Härtefallregelungen
offen zu sein, wird nicht reichen. Die zu erwartenden
Schadenersatzforderungen werden nicht nur das Land Berlin einiges
kosten. Auch die bisher so stolze Finanzbilanz der
Flughafengesellschaft (die erwirtschafteten Eigenmittel zur
Mitfinanzierung der Gesamtbaukosten von rund 2,5 Milliarden Euro
liegen mit 531 Millionen Euro um rund 90 Millionen über Plan) wird
dicke Dellen bekommen. Da zudem langwierige Rechtsstreitereien zu
erwarten sind, verspricht BER-Late allerdings auch noch ein
lukratives Arbeitsprogramm für Juristen zu werden.
Schadensminimierung ist derzeit allein von einer Verkürzung des
Nachtflugverbots in Tegel zu erwarten. Sie sollte – Berlins Zukunft
wegen – gewagt werden. Wo viel Ärger, da darf ein bisschen Spaß nicht
fehlen. Heute und morgen können die Berliner schadenfroh bestaunen,
was in Schönefeld angerichtet wurde. Und wofür sie irgendwann noch
ein bisschen oder auch mehr zahlen werden. Einen Trost immerhin gibt
es: Die Luftfahrtausstellung Ila soll, so versichern alle, im
September in Schönefeld ihre Tore öffnen. Glauben wir es mal – soweit
man in Berlin noch glauben kann …

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