Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Parteitag der Republikaner Eifer statt Mitgefühl DIRK HAUTKAPP, WASHINGTON

Wenn Mutter Natur den Atem anhält, dann startet
also morgen mit etwas Verspätung in Florida ein viertägiger
Politikreigen aus Bildern, Farben, Musik, Tränen und tonnenweise
klangvollen Worten, der allen Erfahrungen nach mit darüber
entscheiden kann, wer ab Januar 2013 die Supermacht Amerika führen
wird. Die Republikaner wollen sich auf ihrem Großparteitag in Tampa
warmlaufen für den Endspurt ins Weiße Haus. Mitt Romney,
Multimillionär und ehemals Risikokapitalist, hat sich in einer
unappetitlichen Auswahlschlacht auch dank großzügiger Finanzhilfe von
ein paar Amerikanern, die noch reicher sind als er, als
Wahlsiegsbeauftragter herausgemendelt. Keine Herzensangelegenheit ist
dieser Pakt. Der unbändige Hunger nach einem Wechsel in Washington
treibt–s rein. Verschlucken nicht ausgeschlossen. Binnen nicht einmal
zehn Jahren ist die einst staatstragende „Grand Old Party“ eine
Partei geworden, die der Staat kaum mehr verträgt. Sie ist so weit
nach rechts gerutscht, dass von ihrem Leuchtturm aus die
gesellschaftliche Mitte wie ein Tummelplatz für Sozialisten aussieht.
Anders als noch 2004, als die Republikaner mit dem plüschigen Slogan
„Compassion“ – Mitgefühl – den Weichzeichner herausholten, um die auf
Radikalismen allergisch reagierenden Wechselwähler nicht zu
verschrecken, dominiert heute die harsche Rhetorik der Eiferer. Geht
es nach dem Willen dieser Stahlhelmer, führt der Weg in der
Gesellschafts- und Sozialpolitik nicht nur bei Abtreibung und
Homo-Ehe stramm zurück in die 50er Jahre. Auch die sozialen
Sicherungssysteme, trotz aller demographisch bedingten Probleme ein
Hort der Akzeptanz quer durch alle Schichten und politischen Lager,
sollen einer privatwirtschaftlich orientierten Totaloperation
unterzogen werden. Wer dagegen ist, wurde früher integrierend
angehört. Heute werden gemäßigte, um Kompromiss bemühte Stimmen
ausgegrenzt und über die innerparteilichen
Machtverteilungsinstrumente mundtot gemacht und ausgesiebt. Für
Romney wird diese unversöhnliche Grundströmung brandgefährlich. Weder
kann der Mormone aus seinem bisherigen politischen Wirken glaubwürdig
jenen Hang zu dogmatischen Heilslehren destillieren, nach denen es
christlichen Ultrakonservativen und der Tea-Party-Bewegung dürstet,
noch wird es ihm bei Frauen, Senioren, Latinos und liberal gesonnenen
Patrioten in umkämpften Bundesstaaten am Wahltag im November auf die
Butterseite fallen, wenn er den Hardlinern in Tampa rhetorisch die
Hand reicht. Wie Romney diesen Ritt auf der Rasierklinge bestehen
will, selbst bei einer unerwartet begeisternden wie sinnstiftenden
Rede, ist nicht erkennbar. Sich allein aufs Ökonomische zu verlegen,
das werden die Demokraten dem Herausforderer nicht durchgehen lassen.
Präsident Barack Obama hat Romney einen Extremisten genannt, der die
Gesellschaft verändern will. In Tampa dürfte das Etikett am Ende
vielleicht Meriten einbringen. Für den Rest des Landes sind Zweifel
angebracht.

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