Neues Deutschland: Anders Behring Breivik: Sein Kampf

Ein öffentlicher Auftritt wurde dem Mörder von Oslo
und Utøya bei seiner ersten Vernehmung versagt. Den hatte er
gewünscht, um seine Tat lauthals rechtfertigen zu können. Man muss
den norwegischen Behörden dankbar sein, dem nicht nachgegeben zu
haben. Doch soll man sich nicht mit den gefährlichen Thesen des
Täters auseinandersetzen, und muss man sie dann nicht kennen, um
ihnen öffentlich begegnen zu können?

Soviel stimmt: Erleichterte Kommentare, der Mörder sei daran
gehindert worden, sein Gift in die Öffentlichkeit zu träufeln, sind
nicht überzeugend. Denn geheim zu halten sind Breiviks Ansichten
natürlich nicht. Sie sind längst unter uns. Breiviks »Manifest« ist
nur die denkbar zielstrebigste, quasi schusswaffengestützte
Konsequenz des Abgrenzungsrituals, das den verbal längst
unerbittlichen Kampf der Kulturen ausmacht. Vom Kampf ist es nur noch
ein Schritt bis zum Krieg, dessen sind sich die Vorkämpfer der
Intoleranz sehr oft durchaus bewusst, wie man ihrer Sprache anmerkt.

Die Konsequenz macht den Unterschied zwischen der Mitte der
Gesellschaft und ihrem extremen rechten Rand. Noch gibt es zum Glück
diesen Unterschied. Doch ist es zu bequem, darauf zu verweisen, dass
so etwas Furchtbares wie in Norwegen nicht gemeint ist, wenn die
Kulturkämpfer losziehen. Es ist falsch, sich zu beruhigen, der
Massenmörder Breivik sei ein Einzeltäter ohne Hinterland. Und das von
ihm verfasste »Manifest« sei ein wirres Machwerk, nur sein Kampf.

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