Man sollte Ankündigungen von Politikern, sie
planten eine »umfassende Reform«, stets mit Skepsis begegnen. Das
schützt vor bösen Überraschungen und vermeidet Enttäuschungen.
Bundesbildungsministerin Johanna Wanka will also die studentische
Ausbildungsförderung »umfassend reformieren«. Sagt sie – und meint es
wahrscheinlich durchaus ernst. In der Tat geht das Bafög mit seinen
starren Altersgrenzen und Förderbedingungen an der Lebenswirklichkeit
der jungen Generation vorbei. Die Zahl jener, die ihre
Studienberechtigung über das Berufsbildungssystem oder den zweiten
Bildungsweg (z.B. Abendgymnasium) erworben hat, steigt stetig und
liegt mittlerweile bei 40 Prozent eines Jahrgangs. Immer mehr
Menschen absolvieren mehre Ausbildungen und entscheiden sich oftmals
erst nach einer mehrjährigen Berufstätigkeit für ein Studium. Wer,
wie Politiker, in Sonntagsreden die Notwendigkeit des lebenslangen
Lernens betont, der muss werktags die Voraussetzungen dafür schaffen.
Anders als ihre Vorgängerin und Parteifreundin Annette Schavan hat
die CDU-Politikerin Johanna Wanken offensichtlich erkannt, dass es
nicht mehr reicht, auf das Regelbildungssystems mit klassischen
Bildungskarrieren zu setzen. Ihre DDR-Herkunft und das Wissen um das
dort vielfach verzahnte berufliche und gymnasiale Bildung mögen
hierbei hilfreich sein. Soweit die positive Nachricht, die man aus
der Reformankündigung Wankas herauslesen kann – und dies auch sollte.
Zu befürchten ist allerdings, dass das Geld, das an einer Stelle
zusätzlich ausgegeben, an anderer Stelle wieder eingespart wird. Die
Bemerkung der Ministerin, die Studierenden könnten mit »generell
höheren Summen« nicht rechnen, spricht für diese Annahme. Das Prinzip
ist nicht neu, man kennt es auch von anderen Bereichen und es wird
gemeinhin mit dem politiktechnokratischen Begriff »Gegenfinanzierung«
propagiert. Eine Ausgabe müsse gegenfinanziert werden, heißt so viel
wie: Wir wollen nicht mehr Geld ausgeben; was wir den einen geben,
nehmen wir den anderen weg. Meist werden dafür, wie Wanka es tut,
finanzielle Engpässe als Argument angeführt – in diesem Fall Engpässe
bei den Ländern, die ja einen Teil der Bafög-Ausgaben mitfinanzieren.
Das Finanzierungsargument verschleiert aber, dass vor der
Entscheidung, wofür der Staat Geld ausgibt, abgewägt wird, was
wichtig und was weniger wichtig ist. Derzeit ist der
Familienministerin Kristina Schröder die Förderung der frühkindlichen
Bildung ein Anliegen. Für den Bereich der sogenannten Frühen Hilfen
stellt ihr Ministerium viel Geld zur Verfügung. Das ist gut so, vor
allem, weil diese Investitionen präventiv wirken können. Weniger gut
ist, dass das Geld dafür an anderer Stelle fehlt. Die Jugendhilfe
etwa stöhnt seit einigen Jahren bundesweit über Kürzungen für ihren
Bereich.
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