Neues Deutschland: Heimerziehung in der DDR: Denkhilfe

Schläge sind nicht gleich Schläge. Da gibt es
Unterschiede. Bis in die siebziger Jahre hinein dürfte es in
Westdeutschland in Heimen, Kindergärten und Schulen gang und gäbe
gewesen sein, unbotmäßige Kinder mit Kopfnüssen zu traktieren, als
großzügig verabreichte »Denkhilfe« gewissermaßen. 80 Prozent der
Einrichtungen waren christlich, die meisten katholisch. Sprüche wie
»Eine Ohrfeige hat noch keinem geschadet« oder »Ein Schlag auf den
Hinterkopf erhöht das Denkvermögen« gehörten zum offiziellen
deutschen Erziehungssystem. Eltern, Lehrer, Pfarrer und
Ordensschwestern prügelten über Jahrzehnte hinweg im Auftrag des
Herrn auf Kinder und Jugendliche ein, zu deren Wohl, versteht sich.
Damit aus ihnen keine Gammler werden. Das wurde in Deutschen Reichen
immer so gehandhabt. Doch im vom Familienministerium vorgestellten
Bericht »Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR« kommt man zu
einem anderen Schluss, was die Herkunft dieser Gewalt angeht: Schuld
sei die »für die DDR bestimmende marxistisch-leninistische Ideologie,
die zum Ziel hatte, wenn nötig mit allen Mitteln, Kinder und
Jugendliche zu sozialistischen Persönlichkeiten zu erziehen«. Nicht
also die in Deutschland seit über 150 Jahren von Generation zu
Generation weitergetragene Schwarze Pädagogik spielt hier eine Rolle,
der alte deutsche Wunsch, Menschen schon im Kindesalter zu dressieren
und abzurichten, oder der katholische Fundamentalismus, sondern der
Marxismus. Man darf gespannt sein, wann man dem Philosophen auch die
spanische Inquisition in die Schuhe schiebt.

Pressekontakt:
Neues Deutschland
Redaktion

Telefon: 030/2978-1715