Wer an der Wahl zum EU-Parlament teilnahm, muss
sich inzwischen veralbert vorkommen. Die Aussicht, mit seiner Stimme
Einfluss auch auf den künftigen Kommissionspräsidenten zu nehmen,
gehörte zum Deal bei dieser Wahl. Der gilt nun nichts mehr, und wie
sich zeigt, gelten Regeln generell nichts. Das Spitzenpersonal der
mächtigsten Länder kungelt die EU-Spitzenposten freihändig an
irgendeinem Spieltisch zwischen den Mahlzeiten in Brüssel aus, das
Publikum hat das Ergebnis zu schlucken.
So war es bisher immer, und man kann Angela Merkel nicht
vorwerfen, dass sie dabei nicht diplomatisch agiert hätte. Als ihr
Lieblingskandidat Weber sich als Illusion erwies, sprach sie sich für
den Sozialdemokraten Timmermans aus. Man kann sich vorstellen, wie
ihr zumute war, als sie bei der Abstimmung über ihre Parteikollegin
Ursula von der Leyen im Rat die Enthaltung wählte, weil zu Hause die
Sozialdemokraten moserten.
Diesen aber steht die Empörung schlecht. Sie erregen sich nicht
über das Auskungeln der Kandidaten; nur das Ergebnis passt ihnen
nicht. Was Ursula von der Leyen als EU-Kommissionschefin
qualifiziert, weiß niemand, auch sie selbst nicht. Doch jetzt die
Koalitionsfrage zu stellen, wirkt nicht glaubwürdig. Dafür gäbe es
andere Gründe. Das letzte Wort wird jetzt hoffentlich ohnehin nicht
in Berlin fallen, sondern im EU-Parlament.
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