Es ist leicht, eilige Distanzierung zu üben, wenn
es um den Schrecken von Rostock-Lichtenhagen vor 20 Jahren geht. Es
ist nicht leicht, Sinti und Roma in Deutschland den Status einer
nationalen Minderheit zu verleihen. Zwei Dinge, die nichts
miteinander zu tun haben? Es waren gerade Sinti und Roma, die wegen
behördlichen Versagens vor dem Sonnenblumenhaus in Rostock campieren
mussten und damit den Unmut der Anwohner reizten. Denkschablonen
rasteten ein, die ihre Parallele irgendwo in der Düsternis einer Zeit
haben, in der Hexenverbrennung als gerechte Strafe für beunruhigende
Auffälligkeiten von Zeitgenoss(inn)en galt.
Einer Bevölkerungsgruppe den Verfassungsrang einer Minderheit zu
verleihen, kommt einer gesetzlichen Aufwertung, dem Bekenntnis zu
ihrem Schutz, ihrem Erhalt gleich. Im Falle der Sinti und Roma könnte
Aufwertung wenigstens zu Gleichrangigkeit führen. Das bereits seit
1992 diskutierte Denkmal für die von deutschen Faschisten
umgebrachten Sinti und Roma ist noch immer nicht fertiggestellt, ein
unwürdiges Beharren auf dem Begriff »Zigeuner« in der Inschrift
begleitete den Denkmalstreit, der auch der Frage galt, ob die
industrielle Ermordung von 500 000 Menschen eine
Gleichbehandlung mit dem Holocaust rechtfertige. Derzeit werden Roma
in Ungarn gejagt, aus Deutschland werden sie abgeschoben. In Kiel
scheiterte der Versuch, Sinti und Roma (mit deutschem Pass!) den
Minderheitenstatus zu verleihen, schon fünf Mal. Der Landesregierung
gebührt Respekt, dass sie es ein sechstes Mal versucht.
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