Die einen sehen die Linkspartei im Wanken. Andere
hoffen auf deren Stabilisierung. Und alle zusammen rätseln, ob der
Ausgang des Göttinger Parteitages mehr mit Lafontaine oder mit Gysi
zu tun hat. Nicht wirklich gute Voraussetzungen für ein neues
Führungsduo, das die Partei wohl im nächsten Jahr in die
Bundestagswahl führen und ganz nebenbei befrieden muss. Denn ein Ende
des innerparteilichen Streites ist nach diesem Parteitag kaum zu
erwarten. Das wäre auch zu viel verlangt – nach all den Verletzungen,
die in den letzten Monaten stattgefunden haben, nach egomanen
Attitüden, bösartigen Unterstellungen und diversen Kungelrunden bis
in die letzten Minuten vor der Wahl. Dabei hätte es tatsächlich eine
Chance gegeben, dass die Genossen künftig etwas sorgsamer mit ihren
Mitstreitern und damit mit dem gemeinsamen Projekt umgehen –
spätestens nach einem dramatischen Auftritt Gregor Gysis. Aber dafür
hätten alle Strömungen und alle Strippenzieher sich aus ihren Gräben
bewegen müssen. Dafür hätte der scheidende Parteichef sich als
Vertreter aller Mitglieder statt als Partei in der Partei begreifen
müssen. Dafür hätten die nur für wenige Tage mutigen Initiatorinnen
des sogenannten dritten Weges nicht schon vorzeitig von selbigem
abkommen dürfen, um sich doch wieder in das gängige
Ost-West-/Mann-Frau-Muster einzupassen, das sie doch eigentlich
aufbrechen wollten. Doch sie haben in der Göttinger Lokhalle die
Bremse gezogen (oder sind ausgebremst worden). Und haben damit eine
neue Weichenstellung schlicht verpasst.
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