Rascher Atomausstieg geht ohne Stromlücke und Preisexplosion /
WWF und Öko-Institut-Analyse: komplettes Abschalten aller AKW bis 2020 ohne Abstriche beim Klimaschutz möglich

Ein zügiger Ausstieg aus der Kernenergie bietet
Chancen für Fortschritte im Klimaschutz, ohne die
Versorgungssicherheit zu gefährden oder die Portemonnaies der Bürger
übermäßig zu strapazieren. Zu dieser Einschätzung kommen WWF und
Öko-Institut aufgrund einer Analyse des Strommarktes. „Unsere
Berechnungen zeigen: Es geht beides – Klimaschutz und Ausstieg aus
der Kernenergie“, sagt Regine Günther, Leiterin des Bereichs Energie-
und Klimaschutz beim WWF Deutschland. „Wir müssen jetzt einen Weg für
die Energieversorgung einschlagen, der Menschen gemachte Katastrophen
heute und in Zukunft ausschließt. Unser Vorschlag liegt auf dem
Tisch. Jetzt muss die Bundesregierung endlich einen kohärenten Plan
für eine fast Treibhausgasfreie Entwicklung ohne Kernenergie bis 2050
vorlegen“, so die WWF-Klimaleiterin.

Dr. Felix Christian Matthes, Forschungskoordinator beim
Öko-Institut, hat für den WWF ein beschleunigtes Ausstiegsszenario
durchgerechnet. Demnach könnte die gesamte installierte Nettoleistung
der heute am Netz befindlichen Kernkraftwerke von insgesamt 20.500 MW
bis zum Jahr 2020 anders erbracht werden.

„Der vollständige Ausstieg aus der Kernenergie ist in Deutschland
bis 2020 möglich. Zehn Kernkraftwerke können sofort abgeschaltet
werden, vier Kraftwerke bis 2013 und die verbliebenen drei
Kernkraftwerke im zweiten Drittel der Dekade“, fasst Dr. Felix
Christian Matthes zusammen. „Die Effekte der Kraftwerksstilllegungen
auf den Strompreis werden ausgesprochen gering sein. Auch die
gefürchtete „Stromlücke“ bleibt aus, weil es genügend Alternativen
gibt.“

Konkret könnte der beschleunigter Auslaufpfad so aussehen: Sehr
kurzfristige dauerhafte Stilllegung der sieben ältesten
Kernkraftwerke sowie des derzeit nicht betriebenen KKW Krümmel,
ermöglicht durch die vorhandenen Reserven des Systems. Zwei weitere
Blöcke könnten dank der so genannten Kaltreserven im deutschen
Stromversorgungssystem ebenfalls sehr kurzfristig abgeschaltet
werden. Vier weitere Blöcke ließen sich bis 2013 stilllegen – in
Kombination mit Lastmanagement-Maßnahmen sowie der Inbetriebnahme der
Kraftwerke, die bis 2013 ans Netz gehen. Durch den Neubau von
Kraftwerken in den Bereichen Biomasse, Kraft-Werke-Kopplungs-Anlagen
sowie anderen Erdgas-Kraftwerken ließen sich drei weitere Blöcke bis
2020 abschalten.

Insgesamt könnten bis 2020 so 21.000 MW ganz ohne Kernenergie
erzeugt werden, zeigen die Berechnungen des Öko-Instituts. Dies sind
500 MW mehr als die derzeitige Leistung aller deutschen
Kernkraftwerke.

Öko-Institut und WWF gehen davon aus, dass von einem veränderten
energiepolitischen Kurs positive Impulse für den Klimaschutz ausgehen
können. Das Ziel, den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur
unterhalb von zwei Grad gegenüber vorindustriellen Zeiten zu
begrenzen, sei erreichbar. Dazu müssen die Industrieländer ihre
Treibhausgase allerdings bis 2050 um 95 Prozent gegenüber 1990
reduzieren. Die WWF Studie: „Modell Deutschland – Klimaschutz bis
2050″ zeigt, wie sich dieses Ziel erreichen lässt.

Um den Wandel von einer klimaschädlichen zur klimaverträglichen
Wirtschaftsweise voranzutreiben, seien gezielte Investitionen und
Förderungen von Innovationen in allen Bereichen notwendig. Neben der
Stromerzeugung seien weitere zentrale Handlungsfelder der
Gebäudesektor, der Straßenverkehr sowie die Industrie. Ohne den
Einbezug der Landwirtschaft sowie der Landnutzung sei das
ambitionierte Klimaschutzziel ebenfalls nicht zu erreichen.
„Anspruchsvoller Klimaschutz muss alle Sektoren erfassen“, so Regine
Günther. „Die heute vermeintlich preiswerten Wege führen langfristig
häufig in die Irre. Wir müssen eine Energieversorgung hinbekommen,
die menschengemachte Katastrophen ausschließt.“

Neben einer massiven Steigerung der Energieeffizienz spielen die
erneuerbaren Energien eine herausragende Rolle für das „Modell
Deutschland“. Sie könnten 83 Prozent der Stromerzeugung bis 2050
ausmachen. Dafür würden intelligente Stromnetze, massiv ausgebaute
Speicherkapazitäten sowie neue Marktregeln benötigt.

Pressekontakt:
Mandy Schoßig, Pressestelle Öko-Institut, 030/ 40 50 85 334,
m.schossig@oeko.de
Jörn Ehlers, Pressestelle, WWF Deutschland, 030-311 777 422,
ehlers@wwf.de