Rheinische Post: Gabriel macht sich zur Geisel der SPD-Basis Kommentar Von Martin Kessler

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel ist ein
gewiefter Taktiker. Mit der Ankündigung, die Parteimitglieder über
den Koalitionsvertrag verbindlich abstimmen zu lassen, trieb er den
Preis für das schwarz-rote Bündnis geschickt nach oben. Doch jetzt
bekommt er mehr und mehr die Kehrseite seiner riskanten Taktik zu
spüren. Denn trotz seiner raffinierten Rhetorik konnte Gabriel
bislang die missvergnügte SPD-Basis nicht von den Vorzügen einer
großen Koalition überzeugen – unabhängig von den vielen linken
Projekten wie Frauenquote, Solidarrente oder Mindestlohn, die die
Sozialdemokraten anscheinend durchsetzen konnten. Um den Widerwillen
breiter Teile der Partei zu überwinden, muss der SPD-Chef jetzt noch
weiter nach links rücken, als er selbst will. Doppelpass, Homo-Ehe,
Asylrecht, höhere Sozialbeiträge – hier wäre Gabriel durchaus
kompromissbereit gewesen. Er darf es aber nicht sein, um das Ja der
Basis nicht zu gefährden. So macht sich Gabriel zur Geisel des
Mitgliederentscheids. Für das geplante Bündnis mit der Union heißt
das nichts Gutes. Entweder Gabriel überspannt und riskiert die
Koalition oder er verliert die Abstimmung.

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