RNZ: Wer erinnert uns zukünftig an den Holocaust?

Es war vermutlich eine der letzten
authentischen Ansprachen über die Schrecken des Holocausts. Gerade
deshalb wirkten die Worte von Marcel Reich-Ranicki so bewegend. Denn
wer soll in zehn Jahren vom Massenmord an den Juden erzählen?
Natürlich ist Vieles aufgeschrieben, Einiges auch filmisch
festgehalten. Aber die Worte eines Menschen, der das Unfassbare über
sich und seine Lieben hat ergehen lassen müssen, sie besitzen eine
ganz andere Überzeugungskraft als alles Dokumentarische. Schon heute
gibt es Menschen wie die (Zwickauer) Neonazis, die den Holocaust
negieren, die ihn ins Lächerliche ziehen. Dagegen helfen auch keine
Gesetze. Doch wie wird es erst in zwei oder drei Generationen sein?
Werden die Deutschen dann ein so abgeklärtes Verhältnis zum größten
Verbrechen des 20. Jahrhunderts haben wie heute die Bewohner Nord-
und Südamerikas zu den Massakern an der eingeborenen Bevölkerung?
Worte sind Erinnerung. Marcel Reich-Ranicki hat dem
Holocaust-Gedenktag gestern im Bundestag eine besondere Würde
verliehen. Er hat gezeigt, dass dieses Verbrechen so lange lebendig
in den Köpfen bleibt, solange darüber gesprochen wird. Ein
Vermächtnis als Aufforderung.

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