Schwäbische Zeitung: Genau so sieht Hilflosigkeit aus – Leitartikel

Unter den 16 Toten befinden sich neun Kinder und
drei Frauen. Westliche Korrespondenten sprechen in ersten Reaktionen
sprachlich geschult von einem „Ereignis“, einem „Zwischenfall“. Nur
keine Vorverurteilung. Hintergründe weiß man noch nicht. Die Motive
des US-Soldaten, der die Menschen offensichtlich im Schlaf erschossen
hat, sind unklar. Jetzt also sprachlich aufpassen, so die Devise der
Reporter. Die Abgebrühtheit mancher Kriegsberichterstatter ist wie
der Krieg selber erschreckend. Wiederholen wir ein Detail der
Kernaussage: Neun Kinder sind im Schlaf erschossen worden, drei von
ihnen laut britischem Rundfunksender BBC mit einem einzigen
Kopfschuss. Und wir reden von einem Zwischenfall.

Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel, zufällig in Kabul, fordert
im Zusammenhang mit der fürchterlichen Tat die Militärführungen auf,
die soziale Schulung und Kompetenz ihrer Soldaten zu verbessern. Ein
Ratschlag, der von wenig Sensibilität zeugt und den nächsten Amoklauf
– wenn es denn einer war – kaum verhindern wird. Manchmal ist
Schweigen Gold. Ganz am Rande der Schlagzeilen wird unterdessen
bekannt, dass am vergangenen Wochenende vier weitere Zivilisten von
Soldaten der internationalen Schutztruppe erschossen worden sind.
Diesmal aus Versehen. Die Ohnmacht der den Menschenrechten
verpflichteten Regierungen hat kürzlich Verteidigungsminister Thomas
de Maiziere deutlich gemacht: Es reiche eben nicht, wenn man Soldaten
mit gutem Willen und guter Absicht in den Einsatz schicke. Damit
machte der Minister deutlich, dass es eben auch einer Strategie
bedarf, wenn Krieg geführt wird. Diese Selbstverständlichkeit macht
klar, dass manchem zum Himmel schreienden Verbrechen zugesehen werden
muss. So wird Hilf- und Machtlosigkeit definiert.

Vergleiche hinken häufig, aber dennoch kann vielleicht über die
Lage in Afghanistan erklärt werden, warum der Westen bei den
Massakern in Syrien nur zuschauen kann und auf eine Fügung hoffen
muss.

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