Der vom ARD-Politikmagazin „Report Mainz“
ausgestrahlte Bericht über auslaufende Atommüllfässer im Ärmelkanal
und im Nordostatlantik löst eine umweltpolitische Diskussion in
Deutschland aus: SPD und Grüne verlangen von Bundesumweltminister
Norbert Röttgen (CDU) eine Kontrolle unterseeischer Atommülldeponien.
Die SPD stellt im Bundestag einen Antrag zur Überwachung der
Atommüll-Versenkungsgebiete. Die Bundestagsfraktion erwartet von der
Bundesregierung ein „Monitoring für versenkte Atommüllfässer im
Atlantik“ sowie „Maßnahmen gegen weitere Strahlenexposition“
einzuleiten. Dem Antragsentwurf zufolge, der „Report Mainz“ vorliegt,
soll die Bundesregierung dazu aufgefordert werden, „sich in der
OSPAR- und in der EU-Kommission sowie bei der Internationalen
Atomenergie-Organisation (IAEO) für eine kontinuierliche Messung der
radioaktiven Belastung in den betroffenen Versenkungsgebieten“
einzusetzen. Der Antrag sieht vor, die Ergebnisse dieser Messungen
„in regelmäßigen Abständen“ zu veröffentlichen. Matthias Miersch, der
umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion und Initiator des Antrags
fordert, „auf Basis der erhobenen Daten einen Bericht über Optionen
zur Bergung oder sonstigen Möglichkeiten für einen sicheren
Einschluss gefährlicher Behälter vorzulegen“.
Sylvia Kotting-Uhl (B–90/Grüne) erklärte „Report Mainz“ gegenüber:
„Es ist inakzeptabel, dass das Bundesumweltministerium die Hinweise
auf das Auslaufen der Fässer mit Verweis auf Verdünnungseffekte
verharmlost. Jetzt sind eine zügige und lückenlose Aufklärung gefragt
und sachgerechte Vorsorgemaßnahmen wie beispielsweise ein
Monitoring-System.“ Die atompolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion
im Bundestag warf Bundesumweltminister Röttgen vor, keine aktuellen
Angaben über das Austreten der Radioaktivität machen zu können: „Es
stellt sich für mich auch die Frage, ob das Umweltministerium
überhaupt über ausreichende Informationen zur Situation der Fässer
verfügt.“
„Report Mainz“ hatte am 1. November berichtet, dass neun Staaten
bis 1982 schwach- und mittelradioaktive Abfälle im Nordostatlantik
versenkten, darunter auch Deutschland. Insgesamt wurden offiziellen
Statistiken zufolge an 15 Stellen 114.726 Tonnen Atommüll in 222.732
Fässern verklappt und zwar Alpha-, Beta- und Gammastrahler. Die
verantwortlichen Regierungen gingen davon aus, dass der radioaktive
Abfall in 4.700 Metern Tiefe „beseitigt“ sei. Man nahm an, dass
eventuell ausdringende radioaktive Stoffe im Ozean „verdünnt“ würden.
Heute ist die „Verdünnung“ von radioaktiven Abfällen verboten, weil
die Radioaktivität dabei nicht verringert, sondern unkontrolliert
verteilt wird. Wenige Jahre nach den letzten Versenkungen haben
Meeresbiologen herausgefunden, dass freigesetzte Isotope über die
Nahrungskette auch aus einer Tiefe von mehr als 5.000 Metern hinauf
in Fischfangzonen gelangen können. Seit 1995 ist das Versenken von
Atommüll weltweit verboten. Inzwischen wurde in den
Versenkungsgebieten u. a. Plutonium 238 in Wasserproben, im Sediment
und in Fischen nachgewiesen. Die Halbwertzeit von Plutonium 238 liegt
bei 87,7 Jahren. Wenige Millionstel Gramm Plutonium im Körper sind
für den Menschen tödlich.
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an „Report Mainz“, Tel.: 06131/929-3351.